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DIE SIEBEN TÜRKENKRIEGE DER HABSBURGER
THE SEVEN TURKISH WARS OF THE HABSBURGS
LES SEPT GUERRES TURQUES DES HABSBOURGS


Inhalt          Contents          Table des matières


VORSPIEL

Unter der Regierungszeit des Sultans Orhan drangen die Türken Mitte des 14. Jahrhunderts bis nach Europa vor, und es gelang ihnen, hier Fuß zu fassen. Nach Thrakien (1361) stand Groß-Serbien auf dem Eroberungsplan. Auf dem Amselfeld (Kosovo Polje) unterlagen am 15. Juni 1389 die Serben unter ihrem König Lazar der türkischen Übermacht. In der Folge wurden auch Bulgarien (1393), Bosnien (1463), Albanien (1468), Makedonien (1430) und der Peloponnes (1460) unterworfen; Montenegro, die Moldau (1512) und die Walachei (1393) wurden Vasallenstaaten.

Im Morgengrauen des 29. Mai 1453 stürmten die Truppen des türkischen Sultans Mehmed II. durch eine Mauerbresche ins Innere der Stadt Konstantinopel. Unter dem Ruf „Eis tan polis! (Hinein in die Stadt!)“ kämpfte sich ein griechischer Hauptmann vor. Keiner der nachfolgenden Türken konnte Griechisch; sie ließen sich durch den Ruf „Is tan bul!“ einfach mitreißen.

1521 wurde Belgrad erobert. Das Königreich Ungarn schien ein sicheres Bollwerk gegen das Vordringen der Türken, obwohl diese in räuberischen Streifzügen bereits bis nach Kärnten und Friaul vorgedrungen waren. 1526 fiel ein osmanisches Heer in Ungarn ein, und am 29. August wurden die Ungarn bei Mohacs geschlagen. Der erst 20-jährige König Ludwig II. ertrank auf der Flucht.

Für heutige Vorstellungen war es eine sehr ungewöhnliche Doppelhochzeit, die 1515 in Wien gefeiert wurde. Sie sollte habsburgische Erbfolgerechte in den von der polnischen Jagellonendynastie beherrschten Ländern der böhmischen und der ungarischen Krone absichern: Kaiser Maximilian I. hatte den neunjährigen Sohn König Wladislaws II. Ludwig II. adoptiert und ließ ihm seine Enkelin Maria antrauen; er selbst vermählte sich mit der zwölfjährigen Schwester des Prinzen, Anna, jedoch sollte die Ehe ungültig sein, wenn sich einer seiner Enkel, Karl oder Ferdinand binnen eines Jahres für die Braut entscheiden würde. Im Jahr 1516 nahm Ferdinand Anna zur Gemahlin. Da König Ludwig II. keine Kinder hatte, war mit seinem Tod für Erzherzog Ferdinand der Erbfall eingetreten - zwischen Kaiser Karl V. und ihm war vier Jahre zuvor der habsburgische Besitz geteilt worden.
 


1. Türkenkrieg:  DER ERSTE (1529-1568)

In Böhmen wurde Ferdinand zum König gewählt, und die Stände von Mähren, Schlesien und der Lausitz bestätigten die Wahl. In Ungarn, das die Osmanen nach ihrem Sieg zunächst wieder geräumt hatten, kam es zu einer Doppelwahl: in Preßburg wurde der Habsburger, in Stuhlweißenburg der Fürst von Siebenbürgen und türkische Vasall Johann Zapolya zum König erkoren. Mit einer „Hofstaatsordnung“ richtete Ferdinand sogleich eine zentrale Verwaltungsstelle für alle seine Länder ein. Die Truppen Ferdinands vertrieben Zapolya aus Ungarn, doch die Türken waren nicht bereit, den Habsburger als Herrscher Ungarns anzuerkennen; als Verbündete Zapolyas rüsteten sie erneut zum Krieg. Am 10. Mai 1529 brach Sultan Soliman mit einem Heer von rund einer Viertelmillion Mann von Konstantinopel auf. Am 8. September fiel Ofen. Nun rückte die Armee rasch gegen die Erblande vor. Wer sich nicht in schützende Burgen flüchten konnte, wurde getötet oder in die Sklaverei verkauft. Schutt und Asche säumten den Weg des türkischen Heeres.

Der oberste Feldhauptmann von Niederösterreich, Graf Niklas von Salm traf rasch die notwendigsten Verteidigungsvorkehrungen für Wien. Mitte September übersiedelte der Hof nach Linz. Von den rund 3.000 wehrhaften Bürgern Wiens blieben nur 400, unter ihnen Bürgermeister Wolfgang Treu, in der bedrohten Stadt. Salms Kriegsbesatzung bestand aus 2.600 Reitern und 10.000 Fußsöldnern.

Am 19. September erschienen Vorhuten der Türken an den Stadtmauern Die Vorstädte außerhalb der Mauern gingen in Flammen auf, tatarische Streifscharen verwüsteten den Südosten Niederösterreichs. Bereits am 23. September war die Stadt von Solimans Truppen in weitem Bogen von Simmering bis Heiligenstadt eingeschlossen. Auf der Donau lagen die türkischen Schiffe. Der Sultan hatte sein Hauptquartier vermutlich in Sankt Marx; der Hauptangriff gegen die Stadt ging vom Lager des Großwesirs aus, das beim Laßlaturm an der Wien lag.

Nach einem mißglückten Ausfall schickte Soliman einige der Gefangenen mit der Nachricht in die Stadt,er würde Wien verschonen und weiter gegen Westen ziehen, um auf König Ferdinand zu treffen, wenn sich die Stadt ergäbe. Andernfalls wolle er „am dritten Tag darnach, das ist am Mittwoch Michaelis (29. September) das Frühmahl zu Wien in der Stadt essen und selbst das Kind im Mutterleib verwüsten“. Angesichts des Terrors, den die Türken rings um Wien ausübten, ließ sich die Stadt auf des Sultans Angebot nicht ein.

Die Türken begannen nun, aus ihren Batterien vor allem das Kärntnertor zu beschießen. Gleichzeitig starteten sie den für Wien besonders gefährlichen Minenkrieg. An rund vierzig Stellen wurden unterirdische Gänge gegen die Stadt getrieben, in denen die Angreifer bis zur Stadtmauer gelangen wollten. Durch mehrfache Ausfälle und größte Wachsamkeit wurden diese Arbeiten jedoch wirksam behindert.

Die immer wieder vorgetragenen Angriffe der Türken wurden blutig zurück-geschlagen, zuletzt am 14. Oktober. Soliman verstand sich schon auf die Propagandasprache: Er gewährte Wien „Gnade“, weil der König ohnedies nicht mehr in den Mauern der Stadt sei. Tatsächlich zwangen ihn aber ausgebrochene Seuchen zum Rückzug; am 16. Oktober zog das Türkenheer in östlicher Richtung ab. Salms Truppen nutzten die Chance und stießen nach Ungarn vor; Raab, Komorn Erlau und Gran wurden zurückerobert. Doch Verhandlungen mit Zapolya verliefen ergebnislos, und 1532 versuchten die Osmanen erneut einen Vorstoß gegen Wien. Vergeblich berannten sie die Festung Güns, und das Anrücken eines Reichsheers sowie die Niederlage der tatarischen Reiterei in Niederösterreich veranlaßten sie erneut zum Rückzug.

Doch auch die Versuche Ferdinands, sein ganzes Erbe in Besitz zu nehmen, scheiterten. Nach einer schweren Niederlage bei Ofen, das 145 Jahre osmanisch blieb, mußte Habsburg die de-facto-Herrschaftdes Sultans über einen Großteil Ungarns zur Kenntnis nehmen; das Zentrum Ungarns wurde somit osmanische Provinz. Siebenbürgen blieb unter eigenen Fürsten, die versuchten, durch eine Schaukelpolitik die jeweilige Situation für sich zu nutzen. 1547 mußte Ferdinand einen Waffenstillstand mit einem jährlichen „Ehrengeschenk“ von 30.000 Dukaten - eine Umschreibung für Tribut - erkaufen. Die Schwäche gegenüber den Türken war auch eine Folge des Bündnisses, das der, „allerchristlichste König“ von Frankreich 1536 mit dem Sultan geschlossen hatte.

Im Jahr 1551 bot sich Ferdinand die Chance, doch noch in den Besitz Siebenbürgens zu kommen. Die Witwe Johann Zapolyas war zu einem Verzicht bereit. Doch die habsburgischen Truppen behandelten bei ihrem Einmarsch die Bevölkerung so grausam, daß die Siebenbürger den Sohn Zapolyas zum Fürsten wählten und die osmanische Oberhoheit der des Österreichers vorzogen.

Die Türken rückten in Temesvar ein, und 1562 mußte Ferdinand I., seit 1531 deutscher König und inzwischen auch Kaiser, im Frieden von Konstantinopel den türkischen Besitzstand und die Fortdauer der Tributzahlungen akzeptieren.

1566 griff der junge Johann Sigmund Zapolya, Sohn des Vorgenannten, mit Unterstützung des Paschas von Temesvar das kaiserliche Ungarn an. Sogar der alte Sultan Soliman rückte - zum 13. Mal - noch einmal ins Feld. Er starb während der Belagerung von Szigetvar, das der heldenhafte Niklas Zriny verteidigte. 1568 schlossen Kaiser Maximilian II. und Sultan Selim II. in Adrianopel wieder einmal Frieden.
 


2. Türkenkrieg:  DER LANGE (1592-1606)

Die Grenze gegen die Osmanen war ständig von Raubzügen in das österreichische Gebiet bedroht. Solche betrachtete der Sultan keineswegs als Krieg, sondern sie waren Ausdruck der angemaßten Überlegenheit, der ja in den Tributzahlungen des Kaisers Rechnung getragen wurde.

An lokalen Grenzkämpfen entzündete sich unter Kaiser Rudolf II. der „Lange Türkenkrieg“ (1592 bis 1606). In ihm erwies sich die bisher unbesiegbar scheinende Türkenmacht als gebrochen, konnte sie doch zuletzt ihren ungarischen Besitzstand nur dank des Eingreifens der Siebenbürger Fürsten halten.

Der Pascha von Bosnien war im habsburgischen Kroatien eingefallen. Rupert von Eggenberg trat ihm mit einer Streitmacht entgegen und errang 1593 bei Sisak einen glänzenden Sieg. Im Süden gelang dann auch die Eroberung von Petrinja, hingegen ging Klis in Dalmatien verloren.

In dem umstrittenen Gebiet zwischen osmanischem und habsburgischem Ungarn kam es zu wechselvollen Kämpfen. So gingen zunächst Raab/Györ und Veszprem verloren, konnten aber 1598 in einem geglückten Gegenstoß zurückerobert werden. Die Türken belagerten auch Kanisza und konnten es 1600 einnehmen. 1602 stießen die Kaiserlichen wieder bis gegen Ofen/Buda vor, auch wechselten Gran/Esztergom und Stuhlweinenburg/Szekesfehervar mehrmals ihre Besitzer. 1603 verwüsteten türkische Scharen die südliche, 1605 die Oststeiermark.

An der Nordgrenze war 1596 Erlau/Eger an die Türken verlorengegangen. Die Siebenbürger waren zunächst mit dem Kaiser verbündet. Als aber nach dem Thronverzicht des jungen Sigismund Bathory habsburgische Truppen ins Land kamen, begannen die Österreicher auch dort, die Gegenreformation durchzuführen. Darauf wandten sich die Siebenbürger vom Kaiser ab, wählten Stephan Bocskay zu ihrem Fürsten und huldigten dem Großwesir. Die kaiserlichen Truppen mußten sich zurückziehen; die Türken stießen rasch nach.

Inzwischen mußten die Osmanen im Osten einen Angriff der Perser abwehren Der Sultan war zum Frieden bereit. Dieser wurde 1606 in Zsitva Torok (bei Komorn) geschlossen. Die Türken behielten Erlau und Kanisza, Habsburg hielt (vorübergehend) Waitzen/Nacz und Nograd. Die Tributzahlungen des Kaisers wurden eingestellt.

Es gehört zu den GIücksfällen für das Haus Osterreich, daß die Türken den 1606 geschlossenen Frieden während des ganzen Dreißigjährigen Krieges einhielten; sie waren in Kämpfe mit Persien und mit Venedig verwickelt.
 


3. Türkenkrieg:  DER UNGENUTZTE (1660-1664)

Erst im Jahre 1660 wurde wieder einmal Siebenbürgen Anlaß für einen neuen Konflikt. Kaiser Leopold I. (1658-1705) unterstützte den Fürsten Georg II. Rakoczi, die Türken wollten ihren Strohmann Barcsay auf den Thron bringen. Habsburg wollte eine völlige Unterwerfung Siebenbürgens unter den Sultan nicht dulden und griff militärisch für Rakoczi ein. Doch mußte sich ein Heer unter dem Feldherrn Montecuccoli bald zurückziehen. Möglicherweise hätten sich die Türken damit zufriedengegeben. Doch ein Strafzug des Kaisers gegen einen Türkeneinfall und die Errichtung der Festung Zrinyivar waren dann für die Türken unmittelbarer Anlaß, den Krieg zu beginnen.

1663 fiel Großwesir Köprülü mit 100.000 Mann in Oberungarn ein, eroberte Neuhäusel/Nove Zamky und stieß gegen Neutra/Nitra, Leva und Freistadt/Hlohovec vor. Dann aber zogen sich die Osmanen in ihre Winterquartiere zurück, bauten allerdings Neuhäusel zur Festung gegen die Kaiserlichen aus.

Die Heeresmacht Habsburgs war den Türken weit unterlegen. Daraufhin rief Leopold den „Reichskrieg“ aus, und es gelang ihm sogar, französische, spanische und schwedische Kontingente zu bekommen (die Könige dieser Länder waren, Frankreich ausgenommen, durch den Westfälischen Frieden „Reichsfürsten“ geworden). Ein Vorstoß Montecuccolis gegen Kanisza blieb zunächst ohne Erfolg. Im Norden konnte De Souches den Türken bei Szent Kereszt an der Gran und Szent Benedek Niederlagen zufügen, aber Neuhäusel war nicht zurückzuerobern

Die Entscheidung mußte im Süden fallen, wo der Großwesir operierte. Am 1. August 1664 gelang Montecuccoli bei Mogersdorf/St. Gotthard im heutigen Burgenland ein großer militärischer Erfolg. Die Türken waren nun zum Frieden bereit, der schon am 10. August in EisenburgNasvar geschlossen wurde. Der Sieg bei Mogersdorf wurde dabei allerdings nicht gelohnt: die Osmanen behielten Neuhäusel undden umgebenden Grenzstreifen, der türkische Vasall Apafi blieb Herr von Siebenbürgen, und Österreich zahlte 200.000 Taler. Aber der Kaiser brauchte Ruhe im Osten, weil sich bereits ein neuer Konflikt mit Frankreich abzeichnete.

Problematisch blieb nach wie vor die Lage in Ungarn. Als eine Magnatenverschwörung gegen Habsburg aufgedeckt wurde und deren Anführer hingerichtet worden waren, erhoben sich deren Anhänger, die Kuruzzen, verwüsteten die Grenzgebiete und lieferten den Truppen des Kaisers blutige Gefechte
 


4. Türkenkrieg:  DER GROSSE (1683-1699)

Die Gefahren, die drohten, wenn erst der ,,goldene Apfel" des Reiches, wie Wien von den Türken genannt wurde, in der Hand des Sultans gewesen wäre, war damals allerdings nur wenigen bewußt. Ja, im Gegenteil: der "allerchristlichste König" von Frankreich, Ludwig XIV., war ständig eifrig bemüht, die Osmanen für einen großen Feldzug gegen den Kaiser zu gewinnen, weil er sich dadurch freie Hand für seine Raubzüge in den Niederlanden und am Rhein versprach. Französische Intrigen konnten allerdings den König von Polen, Johann Sobieski, nicht davon abhalten, ein Bündnis mit Kaiser Leapold I. zu schließen, denn der Pole erkannte angesichts der Kriegsvorbereitungen in Konstantinopel sehr wohl, wie bedrohlich ein osmanischer Erfolg auch für sein Land werden mußte. Hilfsgelder kamen von Papst Innozenz XI. sowie von Spanien, Portugal und Savoyen; einige Reichsfürsten versprachen militärische Unterstützung. Nur der "Große Kurfürst" Friedrich Wilhelm von Brandenburg verlangte im Sold Frankreichs als Preis für eine Unterstützung die Anerkennung der französischen Annexionen im Elsaß,was der Kaiser ablehnte.

Für die Türken gaben wieder einmal Unruhen in Ungarn den Anlaß für den Angriff. Im habsburgischen Oberungarn führten die Kuruzzen unter dem jungen Grafen Emmerich Tököly einen Kleinkrieg gegen die absolutistische österreichische Herrschaft und deren Sympathisanten. Palatin Nikolaus Esterhazy Tököly fand beim Großwesir Kara Mustafa Unterstützung, wobei dieser mit einem Angriff auf Österreich weit ehrgeizigere PIäne verband. Am 31. März 1683 brach das osmanische Heer von Konstantinopel auf. Der Kaiser wollte der anrückenden Türkenmacht mit der Eroberung der Grenzfestungen Gran/Esztergom und Neuhäusel/Nove Zamky zuvorkommen, doch da Kara Mustafa sich gar nicht um die Einnahme ungarischer Festungen bemühte, sondern direkt auf Wien marschierte, mußten sich die Kaiserlichen unter Karl von Lothringen in das Weinviertel und Tullnerfeld zurückziehen, um dort auf Verstärkungen zu warten

Zur Verteidigung Wiens, das der Kaiser fluchtartig verlassen hatte, wurden 11.000 Soldaten als Besatzungsheer zurückgelassen. Oberbefehlshaber in der Stadt wurde Graf Ernst Rüdiger von Starhemberg. Bürgermeister Andreas Liebenberg ließ rasch die letzten Verteidigungsvorkehrungentreffen und bereitete das Bürgeraufgebot von 5.000 Mann vor. Die Befestigungen Wiens waren nach der Ersten Türkenbelagerung von 1529 vorsorglich erneuert worden - mit Stadtmauer, Basteien, Stadtgraben und den elf über den Stadtgraben hinausragenden Ravelins. Als das osmanische Heer anrückte, wurden die Vorstädte im gesamten Umkreis, von den Weißgerbern bis zur Roßau, niedergebrannt, so daß die Feinde dort zwar keine Versorgung mehr fanden, aber ihnen die Brandruinen doch einigermaßen Schutz gewährten. Die Türken und ihre gefürchteten tatarischen Streifscharen hielten sich an den Dörfern im Umkreis Wiens schadlos, brandschatzten, mordeten oder führten die Bewohner in die Sklaverei. Traurige Berühmtheit erlangte das Massaker von Perchtoldsdorf, wo die gesamte Einwohnerschaft nach der feierlichen Übergabe der Stadtschlüssel niedergemetzelt wurde

Am 14. Juli begann die Belagerung. Kara Mustafa richtete ein „Ultimatum“ an die Wiener: „Entweder Islam oder Tod - sonst wird die Entscheidung in unserem Streit dem Schwert überlassen“, war die Formel, mehr Tradition, als daß mit einer Annahme gerechnet wurde. Der Großwesir verließ sich wohl eher auf die Kampfkraft seiner 140.000 Soldaten Die Besatzung führte zunächst erfolgreich einige nächtliche Ausfälle durch, auch die Artillerie trug viel zur Abwehr der ersten Angriffe bei. Doch als die Türken auch die Praterinsel besetzten, war Wien völlig von der kaiserlichen Armee abgeschnitten und allein auf sich angewiesen. Da an eine Einnahme der Stadt im Sturmangriff nicht zu denken war, setzte Kara Mustafa seine gefährlichste Waffe ein: er begann den Minenkrieg. Unterirdische Gänge wurden gegen die Stadtbefestigungen vorgetrieben, um diese dann durch Minen zu sprengen. Die Angriffe wurden konzentriert gegen Burg und Löwelbastei vorgetragen, und Mitte August schien das Burgravelin kaum noch zu halten. Starhemberg beschwor Karl von Lothringen, die Entsatzarmee so rasch wie möglich eingreifen zu lassen, aber noch wartete man nach dem Eintreffen bayrischer und sächsischer Kontingente auf die schlagkräftige polnische Kavallerie.

Bei einem Angriff der Belagerer am 3. September stand das Schicksal der Stadt auf des Messers Schneide, als die Türken das Burgravelin einnehmen konnten und die Sprengung der Hauptmauer drohte. In Wien wurden alle Männer für das letzte Aufgebot zwangsrekrutiert. Leuchtraketen vom Stephansturm zeigten der Entsatzarmee die große Bedrängnis an. Einem Großangriff der Türken hätte die Besatzung kaum noch standhalten können. Doch am Morgen des 12. September erfolgte nicht der erwartete Angriff, sondern die türkische Armee hatte ihre Kampfrichtung geändert. Denn über die Hänge des Wienerwaldes rückte das Entsatzheer heran.

Die Polen waren am 31 August eingetroffen. Der Kaiser war diplomatisch genug, den Oberbefehl Jahann Sobieski zu überlassen Auf Schloß Stetteldorf hatten die Heerführer - Sobieski, Karl von Lothringen und Hermann von Baden - Kriegsrat gehalten. Eine Umgehung des unwegsamen Wienerwaldes um die Türken vom Süden her anzugreifen war angesichts der großen Bedrängnis der Stadt verworfen worden. Auch die Annahme, daß sich das zahlenmaßig überlegene türkische Heer im schwierigen Gelände des Wienerwaldes und der Vororte nicht voll würde entfalten können, war taktisch richtig. Sobieski plante den Angriff in drei FIügeln: auf dem Leopolds- und Kahlenberg standen die Kaiserlichen und die Sachsen, das Zentrum auf Hermannskogel und Vogelsang bildeten Bayern und schwäbisch-fränkische Reichstruppen, den linken FIügel zwischen Dreimarkstein und Sofienalpe die Polen.

Der 12. September war ein Sonntag. Um 6 Uhr früh begann der Entscheidungskampf. „Die Giauren tauchten nun mit ihren Abteilungen auf wie Gewitterwolken, starrend vor dunkelblauem Erz“, schrieb ein osmanischer Chronist. Die Türken wendeten der belagerten Stadt den Rücken zu und stellten sich in drei großen BIöcken dem Entsatzheer entgegen; dann begannen sie den Angriff. Das Konzept Sobieskis war nicht auf ein große Feldschlacht angelegt, sondern er versuchte, die Türken in einzelne Scharmützelzu verwickeln. In den Weinbergen kommt es zu erbitterten Nahkämpfen; die polnische Kavallerie bietet den türkischen Scharfschützen vorzügliche Ziele und erleidet beträchtliche Verluste. Als sie sich, nach Abwehr der Türken durch das Reichsheer, wieder sammelt, rückt sie über die Schmelz gegen den Gefechtsstand Kara Mustafas in der Vorstadt St. Ulrich (heute 7. Bezirk) vor. Mit dem Ruf „Jezus, Maria, ratuj (Jesus, Maria, hilf!)“ stürzen sich die polnischen Husaren in eine der letzten großen Reiterschlachten der Neuzeit, und die türkischen Spahis halten nicht stand. Der entscheidende Vorstoß gelingt schließlich dem linken Flügel, wo die Kaiserlichen und Sachsen kämpfen. Das ermöglicht den Polen, die Janitscharen-Leibwache des Großwesirs zu überrennen, und diesem bleibt nur, sein Heil in der Flucht zu suchen. Noch haben die Türken Zeit, ihre Gefangenen umzubringen, dann fliehen sie in Panik. Die Beute, die dem Entsatzheer im Türkenlager in die Hände fällt, ist gewaltig. Ein zeitgenössischer Übersetzer weiß, was Sobieski seiner Frau berichtete: Der Allerhöchste sei gepriesen und gelobet/ daß er Uns hat wider den Erbfeind Obsiegen lassen/ alle Stuckh/ Schatz/ Gezelte so nicht zu schätzen/ ist Uns alles zu theil worden/ wie nicht weniger Cameel/ Viehe/ Schaafe und dergleichen.... Es ist eine Victorie dergleichen niemals zu hören war. Der Commendant Graff Stahrenberg/ hat mich umhalset/ geküsset/ und Salvator genennet. . . In summa der feind ist nun völlig ruiniret/ alles verlohren/ außer mit dem Leben haben sie hohe Zeit sich zu salviren. Lasset alles fröhlich seyn/ GOTT dem Allerhöchsten dancken/ daß ER denen Mahomethanern nicht zugelassen/ uns zu fragen wo unser GOTT ist.“ Die reiche Beute, von der Sobieski ein Löwenanteil in die Hände fiel, dürfte freilich auch der Grund dafür gewesen sein, daß die Osmanen nicht, wie Karl von Lothringen es wollte, sofort verfolgt und vernichtend geschlagen wurden - der große Türkenkrieg, der folgte, sollte sich noch durch Jahre hinziehen.

Starhemberg konnte denn auch an die Niederlage der Türken nicht so recht glauben. Er ließ sofort die Schäden an den Befestigungen ausbessern, weil er eine Rückkehr der Belagerer befürchtete. Die Wiener bedankten sich beim Polenkönig der am 13. September zu einer Messe in Sankt Stephan erschien, mit stürmischem Jubel. Der Kaiser kam einen Tag später, kehrte aber bald wieder nach Linz zurück, weil er die Reparaturen an der beschädigten Hofburg abwarten wollte. Für die Wiener gab es kein Geld für den Wiederaufbau, sondern den allerhöchsten Rat, die vergangenen Zeiten als eine Prüfung zu betrachten die sie zu Tugend, Ehrbarkeit und Gottesfurcht erziehen sollte.

Kara Mustafa ereilte sein Schicksal am 25. Dezember des gleichen Jahres: Der Sultan ließ ihn in Belgrad erdrosseln.

Wenn auch die schwere Niederlage der Türken vor Wien zunächst nicht voll für eine völlige Vernichtung ausgenützt wurde, so konnte das Entsatzheer dennoch Ende Oktober den alten Bischofssitz Gran/Esztergom erobern. Der Kaiser sicherte sich durch einen Waffenstillstand mit Ludwig XIV. gegen einen Zweifrontenkrieg ab und schloß mit Polen und Venedig die „Heilige Liga“ mit dem Ziel der Fortführung des Türkenkrieges. Ein erster Vorstoß gegen Ofen/Budapest blieb zwar erfolglos, doch wurde 1685 die wichtige Festung Neuhäusel/Nove Zamky erobert. Nun stellte auch der Große Kurfürst ein brandenburgisches Kontingent für den Türkenkampf, nachdem er sich wegen der Ausweisung der Hugenotten von Frankreich abgewandt hatte. Auch Rußland schloß sich später dem Bündnis an.

Unter dem Oberbefehl Karls von Lothringen rückten die Kaiserlichen und ihre Verbündeten gegen Ofen vor. Vom 20. Juni bis 2. September 1686 wurde die Festung des Paschas von Buda belagert; sie ging dabei in Trümmer, ebenso wurden große Teile des Stadtteils Pest zerstört. Schließlich mußten die Türken nach heldenhaftem Widerstand kapitulieren

Nun folgte ein Siegeszug ohnegleichen: Die Türken, 1687 am Berg Harsan bei Mohacs geschlagen, mußten den Heeren des Kaisers den Weg nach Siebenbürgen und Serbien freigeben. Die Festung Belgrad fiel zum ersten Mal in österreichische Hand. Die Balkanvölker sahen schon die Hoffnung auf Befreiung vom osmanischen Joch: Der Rumäne Cantacuzino und der Serbe Brankovic führten der kaiserlichen Armee bewaffnete Hilfskräfte zu. General Piccolomini führte die Truppen bis Nisch, Sofia und nach Albanien. Als er einer Seuche zum Opfer fiel, verstimmten sein Nachfolger Christian von Holstein durch seine Arroganz und General Caraffa durch drakonisches Vorgehen die Balkanvölker. Das, aber vor allem ein neuer Angriffskrieg Ludwigs XIV. an der Westgrenze des Reichs, gab den Türken wieder Auftrieb. Der Krieg begann sich hinzuziehen.

Inzwischen hatte sich die österreichische Verwaltung im eroberten Ungarn, das die Habsburger seit 1526 als ihr rechtmäßiges Erbe betrachteten, zu etablieren begonnen. Leopold I. setzte bei den ungarischen Ständen die Anerkennung des Erbrechtes seiner Dynastie durch. Der Adel verzichtete auf das ihm seit 1222 verbriefte Widerstandsrecht. Auch Siebenbürgens Zukunft wurde an Österreich gebunden, obwohl Fürst Apafi noch die Herrschaftsrechte auf Lebenszeit zugesichert wurden.

Noch aber waren die Türken nicht geschlagen, und im Herbst 1690 konnten sie Belgrad zurückerabern. Ungarn schien erneut bedroht. Markgraf Ludwig von Baden (der „Türkenlouis“) sicherte aber durch den Sieg bei Slankamen an der Theißmündung und die Eroberung von Großwardein/Oradea die Save-Donau-Grenze. Dennoch war der Sultan noch nicht zu einem Friedensschluß bereit; die französische Diplamatie, die Österreichs Truppen im Osten binden wollte, spielte dabei eine wesentliche Rolle

Als der Kaiser den „Türkenlouis“ an die Westfront schickte, bekam das Heer im Osten mit Friedrich August von Sachsen einen denkbar ungeeigneten Oberbefehlshaber. Da trat ein GIücksfall ein: der Sachse wurde König von Polen und gab den Oberbefehl auf.

An seine Stelle trat der junge Prinz Eugen von Savoyen, seit 1683, nach seiner Flucht aus Frankreich, wo ihm Ludwig XIV. eine Militärlaufbahn verweigert hatte, im Dienst des Kaisers - ein im Kampf bewährter Offizier, dessen Berufung sich bald als die des bedeutendsten Feldherrn der österreichchen Geschichte herausstellen sollte. Eugen sammelte und trainierte seine Truppen für den entscheidenden Schlag: Bei Zenta/Senta an der unteren Theiß wurde die osmanisch Militärmacht 1697 zerschmettert, so daß der Sultan, wollte er nicht erneut den gesamte Balkanraum den Österreichern öffnen, nun zum Frieden bereit sein mußte.

Auf freiem Feld bei Karlowitz/Sremski Karlovci an der Donau kamen die Bevollmächtigten beider Parteien zusammen. Die Osmanen verzichteten im Friedensvertrag auf ganz Ungarn (ausgenommen das Banat) und Siebenbürgen. Polen bekam Podolien und Teile der Ukraine zurück, Rußland wurde der Besitz von Asow, Venedig der des Peloponnes (Morea) bestätigt.
 


5. Türkenkrieg:  DER ERFOLGREICHE  (1716-1718)

Das geschwächte Osmanische Reich blieb infolge Verwicklungen mit Rußland im Spanischen Erbfolgekrieg neutral. Wieder konsolidiert, fühlte es sich aber stark genug, die Venezianer aus Morea zu vertreiben. 1714 erging die Kriegserklärung an die Dogenrepublik. Österreich setzte sich für seinen Verbündeten zunächst in Verhandlungen ein, als diese aber ergebnislos blieben, erklärte es ihrerseits dem Sultan den Krieg.

Bei Peterwardein/Petrovaradin an der Donau bereitete Prinz Eugen den Türken am 5. August 1716 eine vernichtende Niederlage und rückte gegen Temeschburg vor. Am 12. Oktober 1716 kapitulierte diese Stadt, die 164 Jahre unter türkischer Herrschaft gestanden hatte. Im folgenden Jahr sammelte Prinz Eugen seine Truppen, zu denen auch ein bayrisches Kontingent stieß, für den Angriff auf die Festung Belgrad. Die Türken kamen den Angreifern zunächst zwar mit starkem Zuzug für deren Verteidigung zuvor, doch Eugen ließ sich auf eine lange Belagerung nicht ein, sondern ging im Schutz des Morgennebels des 16. August 1717 zum Angriff über. Durch persönlichen Einsatz, bei dem er am Arm eine Schußverletzung davontrug, überwand er eine zunächst kritische Situation, und schließlich ergab sich die Besatzung der Festung. Damals entstand unter den Soldaten das berühmte Volkslied vom Prinzen Eugen.

In Passarowitz/Pozarevac wurde 1718 der Friede geschlossen. Die Türkei mußte nun auch das Banat, Syrmien, einen Landstreifen in Bosnien, das nördliche Serbien mit Belgrad und die Kleine Walachei an Österreich abtreten. Nur im eigentlichen Anlaßfall des Krieges änderte sich nichts: der Peloponnes blieb osmanisch.
 


6. Türkenkrieg:  DER KURZE (1737-1739)

Der Großteil der Gewinne des 5. Türkenkrieges sollte im zweiten Türkenkrieg Kaiser Karls VI. wieder verlorengehen. Österreich war durch einen Bündnisvertrag mit Rußland verpflichtet, diesem ein Hilfskorps zur Verfügung zu stellen, als es seinen von den Türken beherrschten Zugang zum Schwarzen Meer erweitern wollte. Nachdem Vermittlungen fehlschlugen, trat auch Österreich 1737 in den Krieg mit dem Sultan ein. Doch dessen Armee war durch einen aus österreichischen Diensten entlassenen, zum Islam übergetretenen Franzosen General Bonneval - der sich nunmehr Achmed Pascha nannte - reorganisiert worden. Dem Anfangserfolg der Eroberung von Nisch durch die Kaiserlichen folgten schwere Rückschläge. Friedensverhandlungen wurden eingeleitet. Im Frieden von Belgrad mußte Österreich nicht nur diese wichtige Festung, sondern alle Landgewinne von Passarowitz mit Ausnahme des Banats wieder herausgeben. Damals flüchteten 30.000 serbische Familien unter Führung des Patriarchen Arsen Crnojevic aus dem nunmehr wieder türkisch gewordenen Gebiet nach Ungarn und wurden in den Grenzgebieten (Militärgrenze) als Wehrbauern angesiedelt, ein Vorgang, der im 20. Jahrhundert die Auseinandersetzungen zwischen Serben und Kroaten wesentlich verschärfen sollte. Österreich hatte durch die Niederlagen einen großen Prestigeverlust bei den Balkanvölkern erlitten; allmählich begannen sie, sich in ihrer Hoffnung auf Befreiung Rußland zuzuwenden.
 


7. Türkenkrieg:  DER LETZTE (1788-1791)

Den letzten Türkenkrieg Österreichs führte Kaiser Josef II. Es war eine ähnliche Situation wie 1737:Obwohl Österreich aufgrund eines Bündnisvertrags Rußland nur mit einem Hilfskorps hätte beistehen müssen, trat es 1788 in den Krieg ein. Offenbar wollte der Kaiser an den Aufteilungsplänen der Zarin Katharina II. teilhaben. Doch die Österreicher mußten den vorrückenden Türken zunächst Grenzgebiete preisgeben. Die Anwesenheit des zaudernden Kaisers, der zweifellos kein militärisches Genie war, wirkte zusätzlich hemmend. Nachdem Josef II., dessen untergrabene Gesundheit nun auch noch durch Malaria belastet wurde, nach Wien zurückgekehrt war und Graf Lacy durch den alten Feldmarschall Laudon als Oberkommandierender ersetzt wurde, konnten die österreichischen Truppen wieder vordringen und Belgrad einnehmen. Nach Josefs Tod wurde 1791 der Friede von Sistova geschlossen. Der Krieg endete damit, daß Österreich und Rußland alle besetzten Gebiete (mit Ausnahme Bessarabiens) zurückgaben.
 


ZEITTAFEL


Literatur: Scheuch, Manfred: Historischer Atlas Österreich, 3. Aufl., Wien 1994, S. 58-59, 70-71, 76-79
(Teile wurden daraus wörtlich übernommen mit Genehmigung der Christian Brandstätter Verlagsgesellschaft m.b.H. Wien)

Letzte Überarbeitung: / Last update: / Dernière mise à jour: 12.02.2001
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