Samuel Scheidt an Rektor Christian Gueinzius - III - vom
2. April 1630 (Auszug)
1. Es hat der Herr Rector gestern mir durch den Herrn Cantor
Matthias sagen lassen, daß ihm führneme Leute berichtet,
weil ich itso die Osterfeiertag keine musicam angestellet, were
der Herr Rector schuldig daran, weil er die Schüler mir
nicht wollte folgen lassen, wenn ich sie begerete.
2. Were dem Herrn Rector die Cantorei befohlen und nicht mir,
ich müßte ihn ernstlich ansprechen, wenn was musicieren
wollte. Alsdann weren sie schuldig mir zu pariren, sonsten
garth nicht. Denn sie nicht der Music halber nach Hall kömmen,
sondern etwas zu studieren und lernen, denn bei mir würden
sie wenig lernen.
Darauf frage ich den Herrn Rector: Wenn ein armer Schüler
nach Halla kommet und etwas studirn und lernen will, ist es billich
und recht, sich bei ihm anzugeben. Wenn aber einer in
die Cantorei will, und diese Partecken und Almosen für die
Türen bei den Leuten sammeln, so muß er sich bei dem
Director der Musik angeben, auf daß derselbe höre
und ihn
examinire, was er singen kann, ob er perfect oder unperfect ist,
ob er auch eine gute reine Stimme habe und nicht wie itso in
der Cantorei, welche Ochsen-, Schaaf-, und
Kälberplökende Stimmen, auch Pflaumen in den Mäulern
haben, daß man weder Wort noch Weise verstehen, ja noch
darzu unterziehen, daß man alsbald die Ohren zustopfen
und aus
der Kirchen lauffen. Wenn denn der Director befindet, daß
er dügtig, denselben in die Cantorei nehme, und nicht der
Rector, denn er die Music nicht verrichtet. Und wenn der Director
einen Saalbader einleget, nicht der Rector den Spott darvon hat,
sondern der das Directorium der Music hat; ... Daß sie
auch von mir nichts lernen können, kein paar lateinische
Wort,
gleube ich auch wohl; aber das können sie lernen, daß
sie reine lernen singen ihre Semitonia und ihre Intervallen,
allerlei Manier von der 6 Major und Minor, und Quinta Major und
Minor etc. zu unterscheiden, welche mir der vorige praefectus
Tittel und großen Dank gewußt ... Es wird uns die
Obrigkeit wohl scheiden! Ehe ich diese Schande und Spott haben
wollte, daß er das Commendat haben sollte, wollte ich lieber
ein Schinder oder Büttel sein. Denn mein ehrlicher Nam mir
lieber ist als Silber und Gold, und will meinen Kindern
solchen Namen nicht lassen, daß mir ein Rector Scholae
commendiret habe! Vale.
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Toleranz und Fairplay
im Internet
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Christian Gueinzius - III - an der Rat der Stadt Halle vom
3. April 1630 (Auszug)
Ehrenveste, Wohl Ehrwürdige, Groß Achtbare, Hochweyse,
Hochgelarte, großgünstige Herrn unnd geehrte Förderer,
denselben sind neben Anwünschung Alles guthen unnd
Ersprießlichkeit, Meine schuldigen Dienste jederzeit bereit
unnd verpflicht, unnd kann denselben klagendt unberichtet nicht
lassen das alß dieser Tage Ich in erfahrung kommen, es
sollte der Herr Kapelmeister Samuel Scheidt ausdrücklich
vor und angegeben haben, Ich werde Uhrsache, das keine Musica
diese Feyertage von Ihme gehalten worden, weil Ich Ihme
keine Diskantisten Schicken auch die Cantorey auf sein begehren
ohne mein Wissent nicht folgen laßen wollte. Ich darauff
in deme Ich gantz Unschuldig, den Catorem Quintum
gebeten, Ehr solle Ihn deswegen begrüßen, unnd doch
sich erkundigen ob der Bericht von Ihm herrührte, nachfragen,
daruff Er innenliegende Charten durch seine Magd mihr Gestern
eingeschicket, in welchem wie E. E. E. Groß A. Hochw. zu
ersehen viel neuerung begehret wird, so vor meinem Prodecessores
(Vorgänger) nicht gestatet, E. E. Hochw. Rath nicht
anbefohlen, Ungereimbt, daß einem, der kein Collega, discipuli
zu examiniren und probiren wolten vorgestellet werden, auch E.
E, Hochw. Rath nachtheilig, als wen sothaner
Inspectores bestellet, die Hierzu Untüchtig, und ungeschicket,
denen was septa major & minor sein unwissendt, Ob aber solche
in choro damit in andern Kirchen guthe, liebliche
Music verrichten bey ihm Kelber, Ochsen, Schaff blöckend
stimmig zuachten. Ob der Rector sie irgendt nur einmal gehindert
oder auch dieselben abgehalten, das sie Ihm in der
Kirchen nicht folgen sollten. Ob sie vom Rectore ein pahr Lateinische
Wort, vom Kapelmeister die Quintam majorem & minorem lerneten,
stelle Ich es zu E. E. GroßA. Hochw.
vernünfigen Gutachten. ...
Aber (er) empfindet es hochlich, wie er dan deßwegen
auch hochfeierlich schuzsuchet, das ein Kapelmeister vor Schande
und Spott halten wollte, wen ein Rector scholae auff Ordnung
seiner hohen Obrigkeit das Commandat haben sollte, auch ob seine
ihm anbefohlene Schüler und Collegen welchen Er vorgeschriebenen
Gesetzen nach commandiret von Schinder
und Büttel zu achten, zu dehren Urtheil. ...
Unnd wie sollen es die anderen Cantores in den anderen Kirchen
machen, Sollten Sie desgleichen bey dem Kapelmeister allezeit
die Cantorey suchen Unnd alß auch ihm unterworffen
sein? Man hatt in den Kirchen ohne solche direction vor der Zeit
unnd noch anitzo guthe Musicam angestellt, unnd kann es auch
zukünfftig thun, den dazu sein die cantores. Die
Cantorey zu probriren sind Cantores genug und Sie selbsten tüchtig,
man bedarf nicht auswertiger, da es eine große Schande
wehre das so viel Cantores nicht sollten einen Knaben
probiren kennen. ...
Wann aber obgedachte Sachen E. E. GroßA. Und Hochw.
Verordnung, der Vernunft und den mir übergebenen auch publicirten
Legibus zuwieder, Alß bitte Ich dienstlich Sie wollen
Kraft habender Autoritet nach, die Sachen dahin vermitteln, daß
ich in Meinem Mir anvertawten von Ihnen selbst vorgeschriebenen
unnd nun in langer Zeit geübten und gewesenem
Ampt ruhiglich verpleiben, und dem Christlichen zu Gottes Ehr
anreichendem Schulwesen in dieser gefehrlichen Zeitt dermaßen
vor und beyzustehen, das empfindlich Gottes ehr
gesucht, der Jugend von Praeceptorn trew und Fleiß belohnt
und geschützet möge werden. Solches wie es zu Gottes
Ehren E. E. E. Hochw. GroßA. ruhm gereichet, alß
ist es bey Gott
zuerbitten vorpflicht und willig
E. E. GroßAcht und HochW.
Allzeit gefißener
Christianus Gueinzius
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