Jahrbuch
Der
ALBERTUS-UNIVERSITÄT
ZU KÖNIGSBERG/PR.


BEGRÜNDET
VON FRIEDRICH HOFFMANN
UND
GÖTZ VON SELLE

BAND XVIII - Seiten 248-283
1968

Herausgeber: Der Göttinger Arbeitskreis
Druck: Holzner-Verlag, Würzburg

Die nachfolgende Abschrift wurde mir freundlicherweise, am 29. Juli 1998, zur Verfügung gestellt von:
Herrn
Walter
Tomuschat
Schönböckener Straße 76
23556 Lübeck

Walter Grunert

KIRCHSPIEL PUSCHDORF

Das Kirchspiel Puschdorf liegt seit 1816 im Regierungsbezirk Gumbinnen, Kreis Insterburg. Früher gehörte es zum guten Teil zum Regierungsbezirk Königsberg, Kreis Wehlau. Es ist das westlichste Kirchspiel im Kreise Insterburg, erreicht im Norden den Pregel bei Piaten und Stablacken (Pregelau) und erstreckt sich über das Talgebiet der Menge (sprich Menje) nach Süden in den großen Astrawischer Forst hinein. Damit ist zugleich der Gang der Besiedelung gegeben, die von der seit der Vorzeit bewohnten Ufersanden des Pregels nach Süden fortschritt und im waldumschlossenen Gut Frohnertswalde, das 1700 gegründet ist, seine südlichste Stelle erreichte.

Das Kirchspiel Puschdorf ist dadurch in einer gewissen Weise ausgezeichnet, daß es zum vorderen Raum der von Westen her deutschen Dorfsiedlung wurde. Deutsche und Altpreußen rodeten hier gemeinsam, wie die Namen der Eigentümer erweisen. Umgekehrt ist die litauische Einwanderung im 16. und 17. Jahrhundert von Osten und Nordosten her bis in diese Räume nicht vorgedrungen. Auch die zuletzt angelegten Schatulldörfer wie Moritzlauken (Moritzfelde) und Frohnertswalde haben deutschnamige Besitzer. Schon seit der abklingenden Eiszeit hat hier der Mensch Zeugnisse seines Daseins hinterlassen. Sie finden sich überall, auch in den heute mit Wald bedeckten Böden. Außer reichen Knochenfunden der Puschdorfer und Reichenhofer Kiesgruben barg das Museum in Insterburg eine ganze Reihe von ungelochten Feuersteinbeilen und gelochten Felsbeilen bis zu bronzezeitlichen Formen. Aus der älteren Eisenzeit, d.h. den Jahrhunderten vor Chr. Geb. sind größere Bronzeverwahrfunde zwar nicht aus dem Kirchspiel selbst, wohl aber aus naher Nachbarschaft bekannt. Es sind dies ein Fund von 13 bronzenen Hohlkelten, die auf dem Silberberg bei Klein-Nuhr, einer alten Burganlage, gehoben wurden, und auf der Pregelnordseite der reiche Fund von Charlottenberg bei Siemohnen, der aus einem Moorloch zum Vorschein kam. In den Jahrhunderten nach Chr. Geburt häufen sich Zeugnisse aller Stufen, von Römermünzen bis zu Winkingerspuren. In Piaten sind unweit der Mündung der Menge in den Pregel noch in neuerer Zeit Scherben ausgeweht worden.
Wie überall im Preußenland und den Nachbargebieten setzt um die Mitte des ersten Jahrhunderts nach Chr. bei zunehmender Feuchtigkeit ein Vordringen des Waldes ein, dessen die Bewohner mit ihrem noch bescheidenen Ackerbau nicht Herr wurden. Nur die Siedlungsplätze hart am Pregel waren stets bewohnt, soweit die Funde Zeugnis ablegen. Auf beiden Seiten des Stromes blieben die uralten Landwege im Verkehr, der auf dem Nordufer, später der Sommerweg genannt, und der auf dem Südufer, der Winterweg. Letzterer führte von Westen her über Piaten und Stablacken durch den von uns betrachteten raum. Es handelt sich um ein Grenzgebiet bereits altpreußischer Gaue. Das Samland erstreckt sich nördlich des Pregels bis etwa an die Nehne; Natangen, das man südlich des Pregels annimmt, hat seinen östlichen Untergau Wohnsdorf südlich von Wehlau an der Alle. Und von Osten her reicht Nadrauen beiderseits des oberen Pregellaufs bis an die Mündung der Menge bei Piaten.
Als der Ritterorden Wehlau im Jahre 1255 erobert hatte, drang er unter dem Landmeister Konrad v. Thierberg zur Sicherung der begonnenen Dorfsiedlung vor Wehlau und in Abwehr des großen Preußenaufstandes ostwärts vor und unterwarf Nadrauen in den Jahren 1275 und 1276.

Es liegt eine Urkunde vor aus dem Jahre 1287, in welcher Konrad v. Thierberg dem Schalauer Gierdolle mit 10 Familien den Ort Pogotowe verlieh mit Withingsrecht. Bedenkt man, daß wie in dem Wort Menge Menje, hier Pojotowe gesprochen wurde, so kann man wohl vermuten, daß der Landmeister christlich gewordene Schalauer nach Piaten hergebracht hat, die sich in ihrer heidnischen Heimat an der memel nicht sicher fühlten.

Wohl sind im Laufe des unruhigen 14. Jahrhunderts verschiedentlich Dienstgüter auch an Preußen ausgegeben worden - Piaten und Stablacken sind mehrfach genannt -, doch beginnt die eigentliche Besiedlung erst später. Dabei werden große Waldflächen zur Rodung zugeteilt, aber auch preußische Freie und Bauern umgesetzt.
Am 10.06.1406 verschreibt der Hochmeister Konrad von Jungingen dem Peter und Barthel Kuschenpusch 62 1/2 Hufen des Gutes Hirschberg zu kulmischem Rechte erblich und ewig, ausgenommen die Mahlstätten. Es werden die Grenzen genau angegeben: im Westen Piaten (Pojaten), im Norden der Weg nach Stablacken, im Osten der Raum von Norkitten, und im Süden wird die Menge überschritten, wo Ranglacken eine Zeitlang Vorort wird. Diese Verleihung hat jedoch keinen rechten Erfolg gehabt. Von der ersten Gutsanlage zeugt noch gegenwärtig ein viereckiger Erdwall mit Mauerbrocken im Wald an der Straße nach Stablacken. Bleibend ist dagegen das Dorf Puschdorf geworden, das den Namen der Erstbesitzer lebendig erhalten hat. Im Jahre 1423 wird Puschdorf ein deutsches Dorf von 50 Hufen genannt: "dy sint noch nicht zu dinste kommen". Berücksichtigen wir die üblichen Freijahre, so ist Puschdorf als deutsches Dorf eher nach als vor 1410 entstanden. Der Orden gab es bald weiter. Es wurde samt Stablacken am Tage Jacobi 1441 vom Hochmeister Conrad von Ehrlichshausen der Altstadt Königsberg verliehen als Ersatz für nicht erfüllte Bedingungen der Stadthandfeste. Es heißt da: "Dazu geben wir ihnen zwei Dörfer als mit Namen Puschdorf, das 60 Huben binnen seiner Grenzen (Grenitzen) soll behalten, und Stablacken im Kammerampte Wehlau gelegen nach Inhaltung derselben Dorffer Handfeste mit aller Zubehörung als wir und unser Orden die besessen und gehabt haben". Seitdem ist Puschdorf dreihundert Jahre lang der Altstadt Königsberg unterstellt gewesen, die auch Patronatsherr der gegen Ende des 15. Jahrhunderts gegründeten Kirche wurde. Beiläufig sei bemerkt, daß alle drei Städte Königsberg mit Land bzw. Wald in dieser Gegend bedacht waren. In Bubainen am Pregel vor Insterburg verleiht der Hochmeister von Sternberg im Jahre 1421 der Stadt Kneiphof 40 Hufen Bubainer Wald, um ihrem Mangel an Holz abzuhelfen. Und der Löbenicht erhält ein großes Waldgebiet östlich von Allenburg, das noch auf neuen Karten als Löbenichtscher Hospitalwald verzeichnet ist.
Den Gebrüdern Kuschenpusch sind auch nördlich vom Pregel Landstriche als Dienstgüter ursprünglich angewiesen worden, die später unter anderen Namen wieder auftauchten. Im Raum des Kirchspiel Puschdorf erscheint Ranglacken als Hauptsitz. Im Jahre 1446 fertigte das Amt Insterburg, dem damals auch Wohnsdorf und Alt-Wehlau vorübergehend unterstellt waren, ein Verzeichnis der freien, bäuerischen und wüsten Hufen an. Darin lesen wir unter den Alt-Wehlauer Kölmern als Überschrift Rangelawke:

Almenhevszer XXV Huben
Reyffsleger XXV Huben
Nislis XXXVIII Huben
Clingener XXV Huben

(dabei ist aber mindestens Klingergut abseits an der Nehne gelegen). In Piaten nennt das Verzeichnis von 1446 die Namen von fünf Freien:

Kirsten X Huben 1/2 Haken
Naydun VI Huben 1 Morgen
Andree V Huben minus V Morgen
Sander V Huben minus V Morgen
Pawel VIII Huben

Diese Verzeichnis von 1446 ist aber mehr ein Soll denn ein Ist, eine Art Kataster wegen der zu leistenden Dienste. Es fehlen Puschdorf und Stablacken, die ja der Altstadt zinsten.

Zu den drei Dörfern Piaten, Puschdorf und Stablacken, die immer Dörfer blieben, kommen Almenhausen und Ranglacken, die selbständige kölmische Güter wurden.

Das Handfestenbuch bringt unter dem 13.07.1476 eine in Taplacken ausgestellte Verschreibung für die Freien von Almenhausen über 25 kölmische Hufen. Da heißt es, daß dem Georg Almanshausen die im letzten Krieg verlorene Handfeste erneuert werde über 25 Hufen "uff der Ringappe, die do grentzen an Puschdorf, Ranglacken und der Herren grentzen, im Gebiet Insterburg und cammerampt Taplacken gelegen", frei von Zins, Zehnten und bäuerlicher Arbeit, frei, erblich und ewig zu kulmischen Rechte, wofür er einen Plattendienst mit Hengst und Harnisch leisten, neue Häuser bauen, alte bessern oder brechen, dazu ein Krampfund Wachs, einen kölmischen oder fünf preußische Pfennige, einen Scheffel Weizen und einen Scheffel Roggen entrichten soll.

Hundert Jahre später jedoch sieht die Sache recht anders aus. Da fordert Herzog Albrecht den Insterburger Amtshauptmann auf, "den erbaren unserem rentmeister und lieben getreuen Nikel von Witmannsdorf aus gnaden bey seinem gutte Almanshausen, do zuvor die freyen gewonet" weitere 35 Hufen Waldes und ein Ellernbruch an Reifschlägers anzuweisen. Über Nickel von Wittmannsdorf siehe in: "Kaspar v. Nostitz Haushaltungsbuch des Fürstentums Preußen 1578", Leipzig 1893, S. 144, 173 u.a." Nostitz beurteilt Nickel v. W. nicht günstig. Am 06.12.1563 werden dem Nickel die 25 Hufen, "die er von den Freien von Almanshausen gekauft hat" und die neu angesuchten 35 Hufen Wald endgültig verschrieben. Die genau angegebenen Grenzen zeigen, daß man mit der Rodung über "das flis Mennige" nach Süden weiter vordringen will. Welch menschliche Schicksalsschläge mögen sich hinter dem "da zuvor die Freien gewohnt" und die "er von den Freien gekauft hat" verbergen. Freie Bauern verschwinden, und ein riesiger Grundbesitz entsteht. Nicht genug damit! "Am 21.03.1566 verschreibt der Herzog demselben Nickel von Witmannsdorf, nachdem er von demselben anno 1565 tausend Mark

(Alle Geldbeträge sind in der in Ost- und Westpreußen bis 1821 gültigen preußischen Währung gezahlt worden. Die preußische Mark zerfiel in 20 Groschen zu je drei Schillingen. Auf den preußischen Taler gingen 3 Gulden = 30 Düttchen = 90 Groschen = 270 Schillinge = 1620 Pfennige. Danach wurde der für das Gebiet der gesamten preußischen Monarchie gültige Taler zu 30 Silbergroschen = 360 Pfennigen eingeführt.)

geliehen hatte, dafür das Dorf und Gut Ranglacken und das wüste Gut Reifschläger, welches die Ranglacker bisher für 15 Scheffel Hafer jährlichen Zins besassen, zum Unterpfand für mehrfach geliehenes Geld und dafür, daß Witmannsdorf für seine 21-jährigen Dienste keine besondere Belohnung außer seiner Besoldung begehrt habe. Der Herzog habe Ranglacken für 500 Mark gekauft und der Witmannsdorf ihm 1000 Mark dafür und für das wüste Reifschlägers gezahlt. Witmannsdorf erhält 10 Freijahre und alle Rechte, soll mit Pferd, Mann und Harnisch dienen und darf sogar verkaufen, jedoch mit Vorbewußt der Herrschaft und daß das Geld im Fürstentum bleibt."

Nickel v. Witmannsdorf, der später Hauptmann zu Neuhausen und Waldau wurde, ließ sich nach Herzog Albrechts Tode von dem Nachfolger am 08.04.1571 wohlweislich zugleich auch für seine Erben die umfangreiche Verleihung erneuern. Dabei hören wir, daß das Dorf Ranglacken mit 6 Erben besetzt war, auf welchem einen der Schulz, auf den anderen aber fünf Bauern wohnten, die jährlich 15 Mark für Zins und Freigeld zu geben schuldig sind.

Wir haben also hier, wie schon angedeutet, ein Beispiel dafür, wie ehemals freie kölmische Bauern unter adeliger herrschaft geraten und mehr und mehr unfrei werden. Obwohl Herzog Albrecht wiederholt für die rechte der Bauern eintrat und sie nicht entrechtet wissen wollte, hat er mit den großen Landverleihungen an seine Diener und Schuldner deren Machtstreben Vorschub geleistet.

Die Almenhausenschen Besitzungen kamen an die v. Lesgewangs und wurden um 1700 schließlich an Wolf v.d. Groeben verpfändet. In einem Inventar vom Jahre 1709 gehören dazu: 1. der hochadlige Hof, 2. die Wassermühle, 3. das Dorf Ranglacken, mit sechs Bauern, 4. das Vorwerk Albrechts-Thal, 5. der Wald und 6. das Vorwerk Reifschlägers mit einem Gesamtinhalt von 110 Hufen. Doch war damals alles so verwahrlost und verschuldet, daß 1724 der abziehende Besitzer Ludwig Gottlieb v. Lesgewang beim Kauf durch den Herzog von Anhalt nur 1000 Gulden erhielt.

Ein ähnlicher Wandel drohte Piaten. Nachdem, wie gesagt, hier 1446 fünf Freie mit über 34 Hufen genannt werden, verschreibt im 16. Jahrhundert Herzog Albrecht am 07.08.1566 endgültig dem Bartel von Petzdorf 18 Hufen zu Bioten im Amt Insterburg zu magdeburgischem Recht, einen Krug daselbst, Bau- und Feuerholz, dazu die großen und kleinen Gerichte. Petzdorf bekleidete damals das Amt eines Burggrafen von tapiau. Er zeigte sich recht selbstherrlich. Die Wehlauer Chronik sagt von ihm: "Anno 1551 hat Bart. Petzdorf, Burggraf zu Tapiau, einen Hof in Piaten erbaut und die Dachsteine von der Kirche abnehmen und damit seinen Hof decken lassen. Dieser Bart. Oetzdorf ist ein großer Feind der Wehlauer gewesen, hat ihnen viel Hochmuth zugefüget, aber endlich ist es über ihn ausgegangen; denn der Landesfürst hat ihre 1567 vom Amt mit Schanden verstoßen." Nun, gar so schlimm scheint es nicht gewesen zu sein. Petzdorf hatte vorher 10 Hufen im Amt Soldau besessen, die zum dortigen Amte kamen; daher als Entgelt die 18 Hufen in Piaten. Daß die freien Bauern im Dorf über den neuen Großherren nicht beglückt waren, läßt sich denken. Petzdorf ist nicht lange danach gestorben und in der Puschdorfer Kirche begraben. Immerhin kamen die Petzdorfs nicht zu rechtem Wohlstand. Als der Sohn des Bartel, Albrecht von Petzdorf (Pritzdorf) gestorben war, bittet 1603 der Puschdorfer Pfarrer den Magistrat in Königsberg als den Patronatsherren, er möge die Witwe anhalten, die Schulden ihres verstorbenen Mannes, insbesondere die Kosten für das Begräbnis in der Kirche zu bezahlen. Inzwischen war der Hof einmal abgebrannt. Von den Petzdorfs kamen Hof und Krug in Piaten über Balzer von Schlubhut an diese alte preußische Familie, dann an die von Hohnsdorf, bis der Besitz 1667 an die bürgerliche Familie Pöpping überging, bei der er bis zum Ankauf seitens des Dessauer Fürsten Leopold 1724 blieb. Neben diesem Gut, der späteren Domäne, haben sich einige der Bauernhöfe, wie das Magdeburgische Lehngut von Claußen, das Bergausche Gut und dann auch der Krug selbständig erhalten.

Von Piaten aus, besser gesagt von Wehlau aus, ist Dorf Damerau entstanden, während Kuhfließ und Eschenbruch mit je 20 Hufen am 24.05.1634 vom Kurfürsten Georg Wilhelm dem Siegmund von Wittmannsdorf verliehen wurden.

Moritzlauken und Frohnertswalde endlich sind Schatullgüter bzw. Dörfer, die nach dem ersten Besitzer ihren Namen tragen. Fronhardswalde, wie es anfangs hieß, wurde am 04.08.1689 als acht Hufen drei Morgen großes Waldstück (Wildniß) dem Michael Fronhard zu köllmischem Recht gegen Jahreszins von 108 Mark durch Oberforstmeister George Adam von Schlieben erheblich angewiesen und 1697 vom Kurfürsten konfirmiert. Moritzlauken (Moritzfelde) als Wildnis in der Größe von 13 Hufen 15 Morgen erhielt Jakob Mauritz am 10.01.1690 gegen jährlichen Zins von 199 Mark zu köllmischem Recht frei von Pflicht (ausgenommen Kirchenpflicht), die endgültige Konfirmation erfolgte am 03.01.1697. Beide Besitzungen haben später häufigen Wechsel der Eigentümer und ihrer Rechte gehabt.

Die 1684 angelegten Dörfer Gr. Eschenbruch und Klein-Jägersdorf gehörten ursprünglich zum Kirchspiel Norkitten und wurden erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts eingewidmet.

Diesem Überblick über das Werden der einzelnen Ortschaften des Kirchspiels mögen Nachrichten über die Pfarrer und ihren Einfluß auf die Gemeinde folgen, wie sie der Kirchenchronik zu entnehmen sind.

Wie an vielen Orten gibt es auch hier eine Gründungssage. Ursprünglich sollte nach ihr die Kirche etwa halbwegs zwischen Puschdorf und Stablacken gebaut werden. Als die ersten Stein angefahren wurden, waren diese über Nacht verschwunden; die Engel hatten sie nach Puschdorf in das anmutige Tal des Mühlgrabens gebracht. Die Bauern fuhren die Steine an den alten Platz zurück; am nächsten Morgen lagen sie wieder in Puschdorf. Nach mehrfachen Versuchen erkannte man endlich die Absicht des Himmels für den Ort des Kirchenhauses und fügte sich.

Es mag sein, daß der ursprünglich von den Kuschenpusch erwählte Platz, der dann zu Gunsten von Ranglacken verlassen wurde, den Anlaß zu dieser Sage geboten hat. Die Puschdorfer und sonstigen Pfarrkinder sind auch später in ihrer Eigenwilligkeit, ja Trotz, den geistlichen Hirten nicht immer folgsam gewesen. Die Kirche entstand um 1500 und der Rat von Königsberg hatte das Patronat inne. Die älteste begründete Nachricht ist die Inschrift auf der größeren Glocke: "Maria behot uns got in aller not MCCCCCCX". Sie ist ebenso wie die lateinische Inschrift auf der kleineren Glocke in gotischen mittelalterlichen Buchstaben gefaßt:" O rex glorie ope veni cum pace o sancta Katerina ora pro nobis".

Von den ersten Pfarrern weiß man nicht viel mehr als die Namen und daß sie in großer Armut lebten. Laurentius Kleye z.B. richtet 1546 ein Gesuch an den Magistrat der Altstadt-Königsberg um Hilfe. Seine Frau sei vor kurzem gestorben, und er lebe in solcher Pracherei, daß er weggehen müsse. Der Rat der Altstadt möge mit einem ehrlichen Kleide, als einem Pfarrherren geziemet, und besserer Kostung zu Hilfe kommen. Dann wolle er im Namen Gottes den Ehestand wieder anfangen und in Puschdorf bleiben. Der Magistrat habe vor allen anderen den Ruhm, Armen und Notdürftigen reichlich zu helfen und werde auch ihren armen Diener und Pfarrherren nicht verlassen. Das Gesuch wurde bewilligt.

Spätere Geistliche gerieten in Zwist mit den Bauern, welche ebenso wie die adeligen Herren den Kirchendecem schuldig blieben oder die ausbedungenen Sachleistungen nicht lieferten. Grenzstreitigkeiten und Brandschäden erschwerten das Leben. Manche Pfarrer bleiben nur kurze Zeit und schielten bald nach reicher bedachten Pfründen, zumal mit den Pfarrkindern schwer zu verhandeln war. Mit viel Mühe und gutem Zureden erreichte der emeritierte Pfarrer Daniel Kahl in einem Vertrag vom Juli 1619, daß seine Frau als Witwenpension jährlich 20 Mark an Geld und 15 Scheffel Korn erhalten solle.

Besser ging es dann in der langen Amtszeit von Balthasar Neander, der von 1626-1661 in Puschdorf segensreich wirkte. Er stammte aus der Mark und war von 1620 bis 1626 am St. Georgs Hospital in Königsberg tätig gewesen. In Puschdorf hat er in seiner langen Amtszeit das Kirchenbuch mustergültig geführt, welches in Schweinsleder gebunden vom Vogt der Altstadt gestiftet war. Von diesem Gönner stammt wohl auch der silberne vergoldete Kelch mit der Inschrift: "Hans Himmelreich, Vogt über die Dörfer der Altstadt 1627". Aus mancherlei sonstigen Zeichen offenbart sich die für Ostpreußen kampflose Zeit des Dreßigjährigen Krieges, der Deutschland verheerte. Die Gemeinde setzte sich für ihren Pfarrer rege ein. Gleich bei Neanders Diensteintritt hatten die Eingewidmeten vom Adel, Balzer v. Schlubhut der Ältere und Siegismund v. Wittmannsdorf den Magistrat gebeten, für den Pfarrer das Inventar von Vieh, Getreide u.s.w. zu vermehren, damit Neander lange am Ort bleibe, "denn alle Jahre neue Prediger zu suchen will einem ehrbaren Kirchspiel schwer fallen". v. Schlubhut stiftete 1631 der Kirche kostbare Decken und Altargerät. Im gleichen Jahre brannte die Widdem ab, ebenso erlitt das neue Kirchschulhaus Schaden. Zu dem Neubau trugen alle Beteiligten bei: der Magistrat 85 Gulden, jeder Bauernwirt zwei Thaler, die Adligen, Bartel v. Schlubhut, Kasper v. Hoh(e)ndorf, Junker v. Wittmannsdorf Geld oder Holz, das verkauft wurde. Bartel v. Schlubhut starb 58jährig am 27.11.1635, die Witwe Ursula v. Polenz zahlte 40 Gulden Grabgebühr. Sie selbst stirbt 1652 im ALter von 88 Jahren; ihr Erbe, der Junker v. Hohndorff, entrichtet gleichfalls 40 Gulden für das Grab in der Kirche. Im Jahre 1637 erreicht Neander, daß ein neuer Altar in der Kirche erbaut wird. Kaspar Bernigk, der Arendator von Almenhausen, und der Kirchenverwandte Kluyke trugen besonders zu den Kosten von 359 Gulden bei. Der Neubau der Kanzel, die über dem Altare angebracht ist, erfolgte im nächsten Jahre, und 1646 machte der Bau des Glockenturmes den Beschluß. Der "Kirchenzugetaner" Hans Kluyke und Dorothea Kluykin verehrten 1647 zwei messingne Altarleuchter mit Inschrift. In den kommenden Unglücksjahren des Tartareneinfalls wird die Pest eingeschleppt. Zwar überstand Neander die eigentlichen Pestjahre 1656 und 1657, erlag aber am 25.08.1661 der erneut auftretenden Seuche, nachdem er wenige Tage zuvor den Tod seiner Frau und Tochter ins Kirchenbuch eingetragen hatte. Einen Nachfolger wagte der Königsberger Bürgermeister und Rat wegen des heftig wütenden Pestübels nicht einzusetzen und erreichte auch das Einverständnis des Konsistoriums, "da ohne Lebensgefahr sich niemand des Ortes wagen, viel weniger sich häuslich niederlassen könne".

Unter Neanders Nachfolger Christoph Kalow 1662-1676 wird mancherlei gebaut, wozu aus den kurfürstlichen Wäldern Holz erbeten wird, weil die Wälder im Kirchspiel durch die Neusassen der Schatullsiedlung "sehr eingeäschert und ruiniert" seien. Bei einem Antrag, der Pfarrwitwe eine einmalige Abfindung von 1000 Gulden zu gewähren, da kein Witwengehalt und kein Witwenhaus vorhanden sind, werden Kapitän Christoph v. Lesgewang auf Almenhausen und Herr Friedrich Pöpping, Erbherr auf Piaten, genannt.
Auch der nächste Pfarrer Martin Kalb - er nannte sich nach der Sitte der Zeit Calbius -, gut empfohlen vom Rat der Altstadt, führt sein Amt fast ein Menschenalter von 1676 bis 1704.

Nun aber folgen böse Zeiten. Johann Daniel Valentini, der nur vier Jahre von 1704-1708 aushielt, ehe er nach Reddenau ging, war ein streitbarer Herr. Er beklagte sich über die Bauern, insbesondere den Schulzen Klaus von Puschdorf, daß sie ihm das Bauholz nicht herbeischaffen. Und als der Bau an der Widdem bis zum Winter nicht zustande kam, beschwert er sich: "daß ich wahrhaftig crepieren und Weh und Ach über den Schulzen schreien muß". Claus konnte sich in Königsberg rechtfertigen, und Valentini ging davon. Leider wurde es unter dem Nachfolger Daniel Reinhold Engelin 1708-1711 noch schlimmer. Obwohl die Kämmereikasse alle Kosten bezahlt hatte, klagten nach bereits zwei Jahren die Bauern: "daß er nicht mit dem vergnügt sei, was sein Vorgänger genossen". Er ließ eigenmächtig im Walde Holz fällen, bedrohte und beschimpfte seine Pfarrkinder von der Kanzel mit sehr häßlichen Worten. Trotz Eingreifen des Magistrats wurde das Verhältnis kaum besser, bis Engelin nach Enzuhnen versetzt wurde und nicht nach der reichen Pfarre Darkehmen, wie er es gewünscht hatte. In diese Jahre fällt die Pestzeit 1709/1710, die auch das Kirchspiel Puschdorf verheerte. Bürgermeister und Rat der Altstadt ersuchten im Juni 1710 den ins Amt Insterburg entsandten Dr. med. Karl Jakob Röser, auch Puschdorf aufzusuchen, was dieser mit Hilfe des Amtsschreibers Grätsch von Taplacken auch tat. Während um diese Zeit in Stablacken alles wieder gesund war, hatte sich in Puschdorf nach einigen Wochen der Ruhe die "Contagion" wieder eingefunden, und mehrere Gehöfte infiziert, weil die Leute aus den Häusern Kranker oder Verstorbener Sachen geraubt und sich dadurch angesteckt hatten. Röder ordnete an, die Pesttoten nicht auf dem Friedhof sondern an einem besondern abgelegenen Platz hinreichend tief, "über Manns tief", zu begraben. Strafen wurden angedroht, wenn die ausgestorbenen Häuser nicht baldigst mit Brettern verschlagen und die mit Kranken besetzten durch weiße Kreuze bezeichnet würden. Pfarrer Engelin gab an, daß mehr als die Hälfte seiner Gemeinde "ausgestorben" sei.

In solch trüben Zeitläufen wurde am 13.12.1711 der im benachbarten Saalau geborene Gottfried Albrecht als Pfarrer in Puschdorf eingeführt, ein Mann, der die Art seiner Landsleute kannte und sich bald gut mit ihnen stellte. Der Magistrat hatte die Bauern ermahnt, trotz ihrer eigenen Nöte den neuen Pfarrherren, da es ihm noch um Zugvieh mangele, den Acker zu bestellen, den Garten zu umzäunen "und ihm auch sonst soviel immer möglich unter die Arme zu greifen". Und das lohnte sich; Albrecht sorgte für Abgebrannte, wie 1721 für Friedrich Barfuß, kümmerte sich in Glück und Unglück bis zu seinem Tode 1734 als wahrer Seelsorger um seine Pfarrkinder.

Obwohl nach den Pestjahren Menschen mit neuen Ansichten über Wirtschaft und Lebensführung aus dem Westen ins Land kamen, fing eine neue Zeit in unserem Kirchspiel erst mit den Jahren 1721-1726 an. Damals kaufte Fürst Leopold von Anhalt-Dessau auf Zureden von König Friedrich Wilhelm I. die später sogenannten Dessauischen Lande,

(Dies war im Puschdorfer Kirchspiel der übliche Ausdruck. Rechtlich waren die Dessauischen Lande nicht Eigentum des Landes Anhalt, sondern Privatbesitz des Herzoghauses. Die Güter waren zur Herrschaft Norkitten zusammengefaßt, für die die Herzöge von Anhalt bis 1918 Sitz und Stimme im Preußischen Herrenhaus hatten.)

einen etwa 30 km langen Streifen südlich des Pregels zwischen Wehlau und Insterburg und setzte erhebliche Mittel ein, nicht nur für den Ankauf sondern auch laufend dafür, das vernachlässigte und verödete Land wieder zur Blüte zu bringen. Es lebt im Volk unbeirrt der Glaube, der König habe dieses Gebiet seinem Getreuen, dem Alten Dessauer, geschenkt, damit er das Land mit seinen erfahrenen mitteldeutschen Menschen bessere. Das stimmt aber nicht; der Dessauer hat regelrecht verkauft. Da jedoch vor allem im Großbesitz die Güter hochverschuldet waren, blieb für manchen der Vorbesitzer nicht gerade viel übrig. Die gesamten Almenhausenschen Güter brachten dem abgehenden minderjährigen Ludwig Gottlieb v. Lesgewang für weit über 100 Hufen bei einem Kaufpreis von 12.833 Thalern in bar nur 333 Thaler, wie schon gesagt, 1000 Gulden ein.

Als Beispiel sei der Kaufvertrag auszugsweise gebracht, der im Hausbuch Insterburg Lit. H. Foliant 196 auf 12 Seiten 518 ff. eingetragen ist. Es heißt da: "Zwischen dem Fürsten Leopold von Anhalt als Käufer an einem, dann des Seel. Herrn Johann Christoph Pöpping nachgelassenen Frau Wittibin in anderweit ehelicher Assistenz Herrn Johann Jacob Grayen, wie auch desselben (J.Chr.Pöpping) hinterbleibenen ältesten Tochter in ehelicher Assistenz Herrn Bartholomaei Ruppenstein Pfarrer zu Powunden, dann dem bereits mündigen Sohn Johann Carl Pöpping und der noch unmündigen jüngsten Tochter constituirten Vormündern als allerseits Verkäufern am anderen Theil, über die zum Theil im Tapiauschen, zum Theil im Insterburgischen Ambte gelegenen Güther Pojathen, Eschenbruch, Kuhfließ und Damerau wird ein wohlbedächtiger und unwiederruflicher Kauff-Kontract geschlossen sub dato Pojathen und Bubainen den 11.09.1724 aus erheblichen und rechtmäßigen Ursachen, weyl ihnen allerseits in der bisherigen communion noch länger zu verbleiben und sonderlich dem Herrn Grayen als Stiefvater der Pöppingschen Kinder denenselben ihre Erbgelder ferner zu verinteressieren gar zu beschwerlich und fast unmöglich fällt."
Es folgt eine eingehende Beschreibung der Güter; der Kaufpreis für alle beträgt 7000 Thaler nebst 100 Thaler Schlüsselgeld für Frau Gray. Die Übergabe soll erst Ostern 1725 erfolgen.

gez.: Leopold Fürst zu Anhalt - Catharina Grayin - Jakob Johann Gray als ehelicher Assistent - Anna Regina Ruppenstein geb. Pöpping - Bartholomaeus Ruppenstein als ehelicher Assistent - Johann Carl Pöpping - Georg Christoph Steinfeld, Vicebürgermeister von Wehlau als Vormund der Jgfr. (Katharina Dorothea lt. pg. 528) Pöpping - Erhard Weidemann desgl. als Vormund.

Für die im Kirchspiel Puschdorf erworbenen Besitzungen gibt nachstehende Tabelle Auskunft:

Jahr Kaufpreis Vorbesitzer
Die Almenhausenschen Güter 1724
R.Thl. 12.833
Ludwig Gottl. v. Lesgewang verpfändeten Wolf v. d. Groeben
Gut Piathen mit Eschenbruch, Kuhfließ und Damerau 1724
7.100
Erbengemeinschaft Pöpping
Stadtgüter Puschdorf und Stablacken 1726
12.000
Magistrat Königsberg
Klaußen-Gut in Piaten 1726
1.175
Konrad Klaußen
Bergaus Gut in Piaten 1726
1.000
Salomon Bergau
Frohnertswalde u. Moritzlauken 1731
2.000
Geheimrat Friedr. Kupner
Schulzengut Stablacken 1731
500
Georg Surkau
Schulzengut Puschdorf 1748
1.000
Fr. Gottfr. Schulz

Wie gewöhnlich bei derartigen Neuordnungen ergaben sich mancherlei Schwierigkeiten. Die in den Gütern und Dörfern lebenden Bauern wollten die Äcker in alter Weise, nicht aber in der mühsameren, wenn auch lohnenderen Art, wie es die fürstlichen Verwalter forderten, bestellen. Nur langsam setzten sich die Beamten durch, manche Unbelehrbare mußten abgelöst, andernorts verwandt oder gar sich selbst überlassen werden. Auch waren keineswegs alle Besitzer, vor allem Köllmer, zum Verkauf bereit.

Die angekauften größeren Güter wurden in Stand gesetzt und dann Pächtern - Arendatoren hießen sie - gegen festen Jahressatz für die Hufe bebauten Landes übergeben. Zweidrittel des Bodens mußten nach dem Vertrag landwirtschaftlich genutzt werden. Nicht alle Pächter schlugen gut ein; manchem war die neue straffe Ordnung unbequem. Sie blieben mit der Pacht im Rückstand, behandelten ihre Bauern nach Willkühr u.a. mehr. Unter den vielen Mißhelligkeiten mag der Fall des Arendators Holstein aus Almenhausen erwähnt sein. Holstein, der von Reinhardt mehrfach aufgefordert war, die schuldige Pacht zu zahlen, und seine Bauern besser beim Scharwerk zu behandeln, kehrte den Spieß um und verdächtigte Reinhardt brieflich beim Fürsten, daß Reinhardt die Einkünfte erheblich zu seinen Gunsten "um eine Menge Geldes" gekürzt habe. Der empörte Reinhardt schrieb ihm : "Ich deklariere Euch hiermit vor einen infamen Schelm" und legte seinerseits den Vorgang dem Fürsten mit der Bitte um strenge Untersuchung vor. Die Akten verraten zwar nichts über den Ausgang des Streites, doch blieb zum mindesten Reinhardt gerechtfertigt im Amt. Er sorgte späterhin besonders für die Pflege der Waldungen.

Fürst Leopold, der, wie schon gesagt, zahlreiche Untertanen aus seinen anhaltischen Stammlanden hergebracht hatte und fast alljährlich die Güter im Sommer besuchte, kümmerte sich dabei nicht nur um die äußeren Erfolge und Fehlschläge, sondern war bemüht, die Lebensumstände der Bauern zu bessern. Er stellte eigenhändig unter dem 24.07.1738 eine Scharwerksordnung auf. Wiederholt waren ihm Klagen über zu hartes Scharwerk zu Ohren gekommen, das er erleichtern wollte. Die Neubauten der Kirche in Norkitten 1733 und in Puschdorf 1769 unter seinem Nachfolger zielen in dieselbe Richtung. Vereinzelt bestanden Schulen, die nun stärker gefördert wurden: Puschdorf alt überkommen, Ranglacken um 1735 und Stablacken 1751 anerkannt. Trotzdem blieben Unwissenheit und Aberglauben noch lange groß und bedingten manche unerfreuliche Tat.

Der Puschdorfer Pfarrer hatte redlich geholfen. Seinem Nachfolger Karl Gottsched wurden nicht nur der Besatz an Vieh und Gerät für Pfarrhufen neu und besser geregelt, sondern ihm auch ein Gärtnerhaus, d.h. ein eigenes Gebäude für den Knecht gebaut, das jedoch im Siebenjährigen Krieg abbrannte und erst 1819 wieder erstellt wurde. So schwer waren die Zeiten, die den Aufbau der Dessauer unterbrachen. Obwohl die Besitzungen weithin als Musterlande galten, fehlten unter den Nachfolgern des Amtmanns Reinhardt Mißernten und Viehseuchen nicht; in Stablacken z.B. blieben 1752 von 101 Stück Rindvieh nur elf übrig.

Fürst Leopold, der "Alte Dessauer", um den sich ein reicher Sagenkranz gebildet hatte, konnte er doch an mehreren Orten zu gleicher Zeit erscheinen, war 1747 gestorben, sein Sohn Leopold Maximilian, der wegen seiner Güte beliebt war, folgte ihm bereits 1751. Der Enkel, Fürst Leopold Friedrich Franz, war gleichfalls seinem ostpreußischen Besitz zugetan und weilte öfters länger hier. Und gerade zu seiner Zeit fuhr die Brandfackel des Krieges über das Land und vernichtete Erreichtes und Geplantes. Zur Zeit des Amtsrates Schleswig, der 1753-1761 die Wirtschaft führte, wurde so recht inmitten der Dessauischen Lande und damit auch im Kirchspiel Puschdorf die Schlacht bei Groß-Jägersdorf geschlagen. Hören wir, was der damalige Puschdorfer Pfarrer Johann Christoph Wessel als Zeitgenosse aufzeichnete: "Nachdem anno 1757 bei dem russischen Kriege bei Groß-Jägersdorf die Schlacht vorgefallen war und die Preußen in der Nacht zuvor in Puschdorf, Ranglacken und Almenhausen standen und von da zur Schlacht sind aufmarschieret, so haben die Russen nach der Aktion beinahe alle Dörfer dieser Gemeinde angesteckt. In Puschdorf sind zu der Zeit die Widdem, die Schule, das Witwenhaus, das erst nur einige Jahre stand, und beinahe alle Häuser in Rauch aufgegangen. Die Altargeräte sollen, wie die Leute erzählten, in des Bauern Audirsch tiefen Brunnen versenkt worden sein. In Ranglacken ist alles außer einem Bauernhaus und der Mühle abgebrannt. In Damerau sind die Scheunen der drei Bauern, in Almenhausen die Häuser der Instleute abgebrannt, doch das Vorwerk erhalten. In Piaten ist das Meiste stehen geblieben, dagegen in Albrechtsthal und Reifenschlägers fast alles verbrannt. In Fronertswalde sind zwei Höfe abgebrannt, die anderen "voneinander gerissen". In Stablacken ist das Vorwerk in Flammen aufgegangen; nur in Moritzlauken ist alles heil geblieben. Das verwüstete Klein-Eschenbruch wurde später Kriegsinvaliden übergeben." Erst nach Jahren konnten die Verluste an Hab und Gut einigermaßen ausgeglichen werden, obwohl der Fürst half und auch der König Freiholz zum Aufbau der niedergebrannten Gebäude hergab, weil die Dorfwälder zu sehr ausgeschlagen waren. Kein Wunder, daß auch die Pächter ihre Abgaben nur unregelmäßig leisteten. Es hat sich eine Aufstellung erhalten: "Was die Arendatores pro 1759/60 zahlen sollten"

Arendator Hufen Morgen Rthlr. Gr. Pfg.
Wolter - Albrechtstal
12
308
43
6
Gerlach - Almenhausen
14
20
336
67
9
Märker - Moritzlauken
17
10
422
46
9
Simmleit - Stablacken
13
10
310
14
4


Ob dieses Soll erfüllt wurde, steht dahin. Jedenfalls warf der neue Amtmann Pfeiffer (der ältere) das Steuer herum. Er machte der Arendatorenwirtschaft ein Ende und verwaltete durch Administratoren die einzelnen Güter. Er war von 1761 bis 1778 im Amt, das er zu hoher Zufriedenheit der Dessauer Herrschaft verwaltete, wobei Rückschläge wie Viehsterben und Mißernten überwunden werden mußten. Langsam kam der Anbau der Kartoffel auf.

Pfeiffer ging noch andere Wege, um die Einnahme zu sichern. Die Güter Moritzlauken und Albrechtsthal wurden 1765 in Erbpacht ausgegeben. Es waren ursprünglich, wie gesagt, Schatullgüter gewesen, die der Fürst im Jahre 1731 von Friedrich Kupner erworben hatte. Der größere Anteil von Moritzlauken hat in der nächsten Zeit rasch wechselnde Besitzer gehabt. Sechs Hufen Ackerland und eine Hufe von den Suttwiesen kamen neben einer Gebäudeentschädigung für einen Jahreszins von 84 Rthlr. an den Amtmann Johann Arnhold, der das Gut seinem "später entwichenen Sohn" überließ, worauf in rascher Folge als Käufer auftraten:

1785 Oberamtmann Friederici für
3000 Rthlr.
1795 Forstreuter für
6500 Rthlr.
1797 Major Preußer für
7833 Rthlr.
1800 Fabrikdirektor Schimmelpfennig für
11000 Rthlr.
1805 Kämmerer Baumdicker für
11100 Rthlr.


Es war ein Spekulationsobjekt geworden, das schließlich am 09.04.1811 zur Versteigerung kam und von der fürstlichen Verwaltung zurückgekauft wurde.

Auch die anderen Anteile von Moritzlauken und Albrechtstal wurden im 19. Jahrhundert zurückgekauft und zwar je 2 Hufen in Moritzlauken 1833 von der Pfarrwitwe Suche und 1834 von Gottlieb Wehmeyer. Die 10 Hufen in Albrechtsthal mit einer Schankgerechtigkeit waren schon 1814 wieder dessauisch geworden.

Die bessere, wenn auch knappe Geldwirtschaft Pfeiffers erlaubte endlich den Neubau der Kirche in Puschdorf, von dem der damalige Pfarrer Trentovius berichtet, daß er mit erheblicher Verzögerung endlich am 19.11.1769 eingeweiht werden konnte. Neben dem schlichten Langhaus stand getrennt der Glockenstuhl mit den Glocken. Die alte Kirche hatte zwar die Kriegsjahre um 1757 überstanden, war aber im Laufe der Jahre von mehr als zwei Jahrhunderten baufällig geworden und mußte abgebrochen werden. Sie war vorher mit einem hölzernen Turm von ansehnlicher Höhe geziert, der zum Bedauern der Gemeinde nicht wieder erstellt wurde.

Auf Pfeiffer folgte für 20 Jahre in der Verwaltung der dessauischen Lande in Norkitten der Oberamtmann Laddey von 1778-1798. In seine Amtszeit fällt ein Ereignis von entscheidender Bedeutung für die Lebenshaltung und Wirtschaft vornehmlich der Bauern. In weiterem Verfolg der Scharwerksordnung seines Vorfahren vom Jahre 1738 hob im Jahre 1780 Fürst Leopold Friedrich Franz das Scharwerk auf und führte den sogenannten Hochzins als Entgelt für die Scharwerksleitungen ein, Gedanken, welche die preußischen Könige für die Domänenbauern gleichzeitig anstrebten. Im Dessauer Gebiet, also auch im Kirchspiel Puschdorf, ging man noch darüber hinaus. Es sollten nach einer Probezeit von sechs Jahren den Bauern ihr Land und Gebäude unverkürzt übergeben und ihnen "Erbzinsbriefe" ausgehändigt werden. Nach der Probezeit wollten jedoch die Bauern von den Erbzinsbriefen, die ihnen freies Eigentum gebracht hätten, nichts wissen. So blieb es bei dem bisherigen Hochzins, der ihnen in Notzeiten einen Rückhalt bei der Herrschaft sicherte. Das rächte sich ein bis zwei Menschenalter später, als bei der Separation die Hälfte der Länderein abgegeben werden mußte. Trotz der durch solche wohlmeinende Maßnahmen verringerten Einnahmen ging der leutselige Fürst Leopold Friedrich Franz in seiner Sorge für die Armen noch weiter. Pfarrer Ludwig Wilhelm Pauli, 1771-1785, trägt in die Chronik ein: "Wir befehlen hiermit in Gnaden Unserem Oberamtmann Laddey in Norkitten, an die Kirchen in Norkitten und Puschdorff zur Unterhaltung der armen und bedürftigen Leute dieser beyden Dörfern alljährlich Einhundert und fünfzig Thaler bis auf weitere Ordre gegen Quittung auszuzahlen 20. Juli 1780". Es folgen Anordnungen, daß der Prediger nach bestem Wissen das Geld verteilen, aber doch dem Oberamtmann verantwortlich bleiben solle. Solchem Kampf gegen Not und Unbildung sowie die damit zusammenhängenden Übeltaten blieb jedoch schneller Erfolg versagt. Die Schulen hatten, abgesehen von der Kirchschule in Puschdorf, Lehrer ohne Vorbildung. Kein Wunder, daß das Halseisen an der Kirche noch bis 1820 in Gebrauch war.

Die Pfarrer wechselten in nächster Zeit mehrfach. Unter ihnen wirkte von 1786-1790 der spätere Domprediger in Königsberg, Christian Benjamin Anders aus Jauer in Schlesien. Er war ein gemütvoller Mann, tüchtiger Prediger und großer Blumenfreund. Er schreibt beim Abschied: "Ich habe das Stück Garten nur bis zur Kürbisbude bringen können. Du, mein Successor, wirst sie schöner bepflanzen und kannst süße darin träumen. Mein Segen über deine Bude!" Der Nachfolger Christoph Andreas Sachs stammte aus Norkitten, wurde vom Fürsten acht anderen Bewerbern vorgezogen, ging dessen ungeachtet nach sieben Jahren an díe Kirche in Stallupönen. Sehr rege und nützlich auch in weltlichen Dingen zeigte sich Irenäus Mansuetus Rudolphus Suche (1798-1819) trotz seiner nach damaliger Mode schwülstig lateinisch geformten Vornamen und "Hochgelahrtheit". Auch er stammte aus Schlesien und zwar aus Oppeln und verbrachte nach seiner Dienstzeit in Puschdorf den Lebensabend bis 1830 in Wehlau. Seine Bemühungen, die Lebenslage und Rechte seines Standes zu bessern, auch den baulichen Zusatnd der Kirche und Schule trotz der eingetretenen Kriegsläufte erträglich zu halten, kamen seinen Nachfolgern zugute. Wichtiger für die Insassen des Kirchspiels war es, daß er die französische Sprache beherrschte. Dadurch konnte er als Dolmetscher während der Kriegsjahre 1806/1807 seinen Pfarrkindern oft helfen, wenn die Feinde Vieh unberechtigt wegführen wollten oder sonst Willkühr drohte.

Schon vom Herbst 1805 an wurde die preußische Armee sehr schnell mobil gemacht, die waffenfähige Mannschaft sogar z.T. nachts aus den Betten geholt und erhebliche Naturallieferungen für Magazine ausgeschrieben. Ein großes Getreidelager war 1780/81 in Piaten am Pregel erbaut worden, dessen Vorräte auf dem Laufenden zu halten waren. Der Durchzug der russischen Truppen als Verbündete Preußens im Dezember 1805 verlief wider Erwarten lobenswert. Das Jahr 1806 verging mit erneuten Lieferungen, die angefordert wurden. Man leistete sie nur mit Mühe, da der unerwartet über die Ufer getretene Pregel die Heuernte zum guten Teil vernichtet hatte, und schwere Gewitter in Stablacken und Almenhausen Gehöfte einäscherten. So konnte auch das große Magazin in Piaten mit seinen Notvorräten nicht in der vorgeschriebenen Höhe belegt werden. Plünderungen und andere Gewalttaten waren ein Vorspiel zu dem Elend, das nach den Schlachten von Pr. Eylau und später Friedland hereinbrach. Russen und Preußen eilten auf dem Rückmarsch nach Osten, die Franzosen waren im Vordringen. Restlos wurden die Vorräte aufgezehrt, ja die im Herbst mit verteiltem Getreide bestellten Saatfelder vernichtet, das restliche Vieh und mehr als die Hälfte der Pferde mit Gewalt eingetrieben. Einsprüche wie die von Pfarrer Rusche und schützendes Eingreifen mancher Offiziere halfen nur an einzelnen Stellen. Nach dem Friedensschluß in Tilsit kam eine kurze Erholungszeit. Man hörte sogar, daß die russische Regierung Weizen- und Brotmehl als Entschädigung für geleistete Lieferungen sandte, auch Vieh von weit hinter Grodno geholt wurde, um die Verluste in Preußen zu mildern.

Kurz nur war diese Friedenszeit, unter der das Rüsten für neue Kämpfe schwelte.

Der preußische Staat ließ unter der Last des Tilsiter Frieden Domänen in Privatbesitz übergehen und man bot dem Herzog die Ämter Georgenburg und Althof-Insterburg an. Staatsrat v. Schön redete dringend zum Kauf zu und schreibt in einem Brief: "wenn das Fürstentum hier so groß wird, wie dort, wir die Hoffnung hätten, einen Fürsten hier zu haben, der uns deutsche Kultur und deutschen Biedersinn mitbringt". Der Herzog wollte jedoch nur das schöne Wiesengut Zwion für Pferdezuchtzwecke erwerben und zauderte, so daß sich die Sache zerschlug. Das Jahr 1811 brachte eine vollständige Mißernte, so daß ohne die Hilfe der Gutsherrschaft die schwere Zeit im nächsten Jahr nicht hätte überstanden werden können. Seit 1798 verwaltete der Sohn des älteren Oberamtmanns Pfeiffer, der 1759 geborene Christoph Wilhelm Pfeiffer, die Dessauischen Besitzungen und wirkte nach Vermögen zum Besten der "Untertanen", wie man damals sagte, in den wirren Kriegs- und Nachkriegsjahren.

Ab 11.06.1812 durchzogen die Truppen Napoleons bei ihrem Vormarsch nach Rußland die dessauischen Güter in ihrer ganzen Längenausdehnung. Bei Norkitten als Etappenplatz wurden Lager aufgeschlagen, die Felder neben der Heerstraße zerfahren und die Wiesen vollständig abgehütet. In den Wäldern bauten sich die Truppen rücksichtslos Laubhütten und fällten die Bäume planlos. Es half nicht viel, daß die Hauptheerstraße später über Labiau, Mehlauken, Tilsit verlegt wurde.

Zu dem verbündeten Heer hatte auch der Herzog von Anhalt-Dessau sein Kontingent beitragen müssen. Es stand längere Zeit in Danzig und war nach dessauischer Anordnung aus den "Revenüen und dem Kredite" der Güter zu unterhalten. Am 06. Oktober folgte diese Truppe der großen Armee nach Smolensk. Allein schon am 14.12. langte ein Teil davon und wenig später auch der Rest in jämmerlichem Zustand mit erfrorenen Gliedmaßen oder als Krüppel in Norkitten wieder an. Man verteilte die Leute, von denen viele bis zum Frühling blieben, dann aber auf Befehl des russischen Gouverneurs Graf v. Seifers nach ihrer Heimat abgeschoben wurden. Die Zahl der Toten bei den Soldaten und auch bei der einheimischen Bevölkerung war hoch.

Die dessauischen Güter stellten in den darauf folgenden Befreiungskriegen 87 Landwehrmänner, die ausgerüstet und unterhalten wurden.

Sonstige Nachrichten über die Befreiungskriege liegen aus unserm Kirchspiel nicht vor. Dem Kammerrat Pfeiffer gelang es später, nicht unerhebliche Kriegsentschädigungen zu erwirken, wodurch ein Großteil der den Kirchspielinsassen gewährten Vorschüsse eingezogen werden konnten.

In den Jahren 1820-1822 spielten sich die auf das königliche Edikt vom 14.09.1811 zurückgehende Regulierung der gutsherrlichen und bäuerlichen Belange ab. Wie andernorts gab es bei dem Auseinandersetzungsgeschäft erhebliche Schwierigkeiten, da die Bauern überhöhte Ansprüche machten und halsstarrig alte Gewohnheitsrechte nicht aufgeben wollten. Die Verkoppelung trug ein zwiespältiges Gesicht. Auf der einen Seite nahm der Bauer mit Freuden seine zusammengelegten Ländereien und das Gehöft als frei verfügbaren Besitz hin, andererseits entbehrte er von nun an der Hilfe der Gutsherrschaft in Notzeiten. Schlimmer noch war es, daß manche sich nicht auf die Geldwirtschaft umstellen konnten und schließlich verkauften. In Puschdorf z.B. ging die Zahl der Bauern im 19. Jahrhundert von 20 auf 8 zurück.

Es half nicht viel, daß die Pfarrer die neu gewonnene Selbständigkeit ihrerseits förderten, gehörten zur Kirche doch selbst 300 Morgen Land, Johann Christian Hirsch, der von 1820-1828 im Amte war, sorgte dafür, daß bei jedem Dorf ein eigener Kirchhof angelegt und geweiht wurde. Sein Nachfolger, der geistig sehr rege, aus Thierenberg im Samland kommende, lebensnah wirkende Karl Ludwig Tobien, 1828-57, schaffte eine kleine Orgel von der Altstädtischen Gemeinde in Königsberg an und ersetzte sie 1836 durch ein größeres Werk. Die äußere und innere Ausstattung der Kirche bereicherte er und fand bei manchen seiner Pfarrkinder Hilfe und Förderung. Andere wieder empfanden das Neue in Wirtschaft und Leben mit Ärgernis. Erzählte man sich z.B., daß die Puschdorfer Bauern den Erlös ihrer Anteile an einem kleineren Waldstück, das bisher als Viehweide gedient hatte, in einer fröhlichen Nacht verjubelten.

Die Regulierung der Besitzverhältnisse betraf naturgemäß auch die wertvollen Wälder. Die herzogliche Verwaltung benötigte längere Zeit und erhebliche Mittel, die durch Waldweide, planlosen Holzschlag und Sturmschäden - z.B. den Orkan vom 17. Januar 1818, der das Land weithin verheerte -, verwüsteten Forsten wieder ertragreich zu machen, bezifferte man z.B. die Schäden allein in der Puschdorfer Forst auf fast 60.000 Thaler. Dabei hatte der alternde Kammerrat Pfeiffer neben den anderen Aufgaben der Separation auch die Forstabteilung durch Neuanlage von Förstereien vorangebracht. Der Herzog erkannte die Lebensarbeit seines Getreuen an und benannte das 1826 neu erbaute "Forstetablissement", wie man damals für Försterei sagte, im Kirchspiel Puschdorf auf einer Anhöhe südlich von Stablacken ihm zu Ehren "Pfeiffershöhe". Erwähnt sei auch, daß 1819 der damals für seine neuen Gedanken in der Landwirtschaft berühmte Geheimrat Taher die dessauischen Lande besuchte und sich lobend über das Geschehene aussprach.

Im Wechsel der Jahre trägt jedes sein Gesicht. Die Cholera von 1831 nach den polnischen Wirren verschonte das Kirchspiel Puschdorf. Im nahen Piaten war vorsichtshalber eine Quarantänestation für die aus infizierten Orten kommenden Schiffer eingerichtet worden.

Im Jahre daruf 1832 beging man im August die Hundertjahrfeier der Einwanderung der Salzburger. Nebn den alteingesessenen Familien der Audirsch, Wolk, Hoffmann und Fromm hatten auch die fleißigen Salzburger Fuß gefaßt, und waren zu Grund und Boden gekommen. Sie nahmen am kirchlichen und schulischen Leben aus inneren Antrieb teil. Zu der Feier stiftete der Kirchenvorsteher Schwertfeger einen neuen Tauftisch, Frau Administrator Jaspers die Decke. Andere Salzburger Namen wie Feuersänger, Laupichler, Ganshübner und Buchsteiner tauchen auf. Doch steht auch diese Zeit, über die Pfarrer Tobien berichtet, nicht in eitel Sonnenschein. 1835 ermordete aus düstrem Aberglauben Friedrich Bessel den Hirten Gottfried Mauritz. Vier Jahre dauerte es, bis alles geklärt war und der Mörder in Insterburg hingerichtet wurde. Er hatte den Hirten erschlagen in dem Glauben, er könne sich durch dessen Fett unsichtbar machen. So stolz die Puschdorfer über ihre Schule waren, die 1835 als erste im Lande eine eigene Schulglocke erhielt, so war es doch bis zu allgemeiner Schulbildung und Aufklärung ein beschwerlicher Weg.
An äußeren Unglücksfällen dieser Zeit ist der große Brand vom 24.05.1838 zu nennen, der im Ganzen 13 Gehöfte mit Nebengebäuden einäscherte, darunter die Roßmühle des Krügers Feuersänger und das Haus des Kirchenvorstehers Fromm. Pfarrer Tobien wandte sich an die Zeitungen in Königsberg und auch weiter im Westen mit der Bitte um mildtätige Hilfe, beklagte dann aber, daß sein Ruf ohne rechten Erfolg verhallt war. Feuerkassen und ähnliche Hilfseinrichtungen verfügten erst über bescheidene Anfänge, ebenso wie der Einfluß des 1821 gegründeten "Landwirtschaftlichen Zentralvereins in Insterburg" noch gering war, soweit es den Kleinbesitz anging.

Von ganz anderer als allein landwirtschaftlicher Seite erstand im Kirschspiel Puschdorf ein Erwerbszweig, der Leben und Wirtschaft befruchtete. Und zwar bedingte das der Reichtum an Sanden und Kiesen, die in ausgedehnten Lagern entlang der Straße Piaten-Stablacken erschlossen wurden. War anfänglich der Chausseebau, dann die Eisenbahn und sonstige Regulierungen, Hafenanlagen der Abnehmer, so benötigte im 20. Jahrhundert das Überlandwerk, die entstehenden Autobahnen und andere Betonbauten den hier leicht zu gewinnenden Rohstoff.

Der Straßenbau begann nach den Freiheitskriegen. Als erste Strecke im örtlichen Raum erstellte man 1813-1818 ein fünf Kilometer langes Probestück von Insterburg nach Osten bis Kraupischkehmen z.T. mit französischen Kriegsgefangenen. In damals neuartiger Weise pflasterte man den Untergrund und trug mehrere Schichten Schotter in wechselnder Stärke auf, ein Verfahren, das Dauerhaftigkeit versprach. In der Folgezeit jedoch beim Bau der Chaussee von Königsberg her, ging man weniger kostspielig vor. Im Jahre 1830 wurde Taplacken von Westen her erreicht, und zur nun folgenden Strecke von Taplacken nach Insterburg lagen die Piatener und Puschdorfer Kiesgruben besonders günstig. Mancher Bauer hat in den Jahren der Bauzeit von 1835-37 den von der Separation her schuldigen Zins durch Grandfahren oder sonstige Leistungen beim Chausseebau abgetragen. Es mußte damals ja alle Arbeit von Mensch und Pferd ohne viel Gerät ausgeführt werden. Die Regierung in Gumbinnen eröffnete durch Bekanntmachungen vom 08.12.1836 und 17.06.1837 die neue Chaussee von Taplacken bis Eydtkuhnen "zur Benutzung des Publikums".

Nun kam die Fahrpost viel schneller nach Königsberg. Waren früher nur zwei Fahrten in der Woche möglich gewesen und man drei bis vier Tage für eine Reise benötigt hatte, so fuhr die Post jetzt öfter, ja man konnte schließlich in einem Tag hin und her kommen. Dieser Hauptader des Verkehrs wurde nach und nach durch Stichstraßen, die Kreischausseen, neue Benutzer zugeführt.

War schon das Erstaunen über den durch die Chaussee erreichten Gewinn an Zeit und Pferdekraft groß gewesen, so nicht minder später, als die Eisenbahn in Betrieb war. Im Jahre 1860 konnte sie eröffnet werden. Schmunzelnd erzählte man sich noch lange, daß der erste Zug, der vom Puschdorfer Bahnhof nach Insterburg abging, umsonst Fahrgäste mitnahm. Er endete dort jedoch, und die enttäuschten Freifahrer mußten in der Nacht die 30 Kilometer nach der Heimat zu Fuß zurücklegen. Wohl wurde schon lange aus den Piatener Gruben Kies gegraben, nun aber hatte sich der Puschdorfer Erbschulze und Krüger Laupichler zum hauptsächlichen Kieslieferanten aufgeschwungen, war wohlhabend geworden und kaufte die angrenzenden Bauernhöfe ganz oder teilweise, soweit die Kiesgruben reichten. Er brachte sein ererbtes Zweihufengut auf 800 Morgen. Die Laupichler, sie hatten auch in Stablacken ansehnlichen Besitz, sind Salzburger und gehen vermutlich auf den um 1750 in Wehlau nachgewiesenen Simon Laupichler zurück, der damals Maria Winter, eine Salzburgertochter, ehelichte, wie das unter den Einwanderern üblich war.

Schon während des Baues der Eisenbahn hatte man ein Ladegleis nach den alten Puschdorfer Gruben gelegt, wozu später zwei weitere nach Piaten und nach Reichendorf gebaut wurden. Noch lange beutete man die Gruben im Handbetrieb aus; ein Kieszug von acht bis zehn Waggon war das Tagesergebnis. Erst als nach dem Kriege von 1870 mancherlei Fremdarbeiter in die Dörfer kamen und im Kiesbetrieb ihr Brot neben den einheimischen Bauernsöhnen fanden, wuchs die Förderung. Nicht nur bei der Eisenbahn, auch bei Hafenbauten in Königsberg und Pillau wurde Puschdorfer Kies verwendet. Durch die Zuwanderer - es waren Familien bis aus Schlesien darunter - wandelte Puschdorf sich zum Handwerker- und Arbeiterdorf.

Damit ergaben sich für Kirche und Schule erweiterte Aufgaben. Dem rege um das kirchliche Leben bemühten Pfarrer Tobien folgten kurzfristig bis 1863 Friedrich Gustav Dewitz aus Mattischkehmen, Kreis Gumbinnen, der die Eröffnung des Bahnhofs Puschdorf miterlebte, und Johann Eduard Siebert aus Bartenstein, der nach vier Jahren die Pfarre in Norkitten übernahm. Dann wirkte ein Menschenalter lang Johann Karl Hermann Köhler von 1867-1896. Er war 1820 in Kutkehmen, dem Nachbardorf von Stablacken geboren, diente zeitlebens der engeren Heimat und wurde neben seiner Kirche begraben. Er hat bei der Eingliederung der verschiedenartigen Zuzöglinge in die Dorfgemeinschaften glückliche Hand bewiesen, besonders auch die Schulen gefördert. Pfarrer Tobien zählt 1843 vier Schulen im Kirchspiel auf: Puschdorf mit Piaten und Damerau, 179 Kinder, zweitens Stablacken, bereits 1751 anerkannt, samt Kutkehmen und Pfeiffershöhe, 80 Kinder, drittens, 1840 gestiftet, Moritzlauken für Almenhausen und die südlichen Orte, 62 schulpflichtige Kinder und viertens, 1842 gegründet, Albrechtsthal mit 53 Kindern, die z.T. aus Orten des Kirchspiels Norkitten kamen. Hier und da werden, wie erwähnt, schon früher Schulen genannt, wie man aus der Kirchenchronik ersehen kann, doch lebten sie, abgesehen von Puschdorf, nur kurzfristig, wenn gerade ein Kandidat der Theologie z.Z. als Pfarradjunkt tätig war. In Puschdorf verwaltete bis kurz vor 1800 der Präzentor Falkenau an die 40 Jahre das Lehramt, und Tobien berichtet, daß die Familie über hundert Jahre als Schulhalter gedient habe. Auch später im 19. Jahrhundert wirkten manche Lehrer lange, wie z.B. der "alte Präzentor" Domler in Puschdorf bis 1882. Sein Nachfolger war Präzentor Guddas, zu dessen Zeit im Jahre 1891 die Schule zweitklassig wurde, und man das Schulgebäude auf zwei Klassenräume erweiterte.

Die Lehrer der späteren Zeit bis 1945 finden wir im Anhang nach einer Aufstellung von Herrn Lehrer Zerrath.

Dem allgemein betrauerten Pfarrer Köhler folgte 1897 als Pfarramtsverweser Franz Emil Schmidt für ein Jahr und dann Johann Friedrich Karl Siebert, der Sohn des vorher genannten Johann Eduard S. Es fällt auf, daß in der letzten Zeit die Pfarrer nicht mehr von weit her kamen, sondern Kinder der ostpreußischen Heimat waren. Siebert blieb nur sechs Jahre in Puschdorf, ging 1903 in den Schuldienst und lebte später als Schulrat in Allenstein.

Für Dinge, die über das gewöhnliche Leben und die Wirtschaft in dem an Bevölkerung zunehmenden Kirchspiel hinausgingen, Heimatkunde, Bodenfunde und Vereinspflege glückte es, in dem nächsten Pfarrer Waldemar Ammon, der 23 Jahre im Amt blieb, den geeigneten Mann zu finden.

Im Jahre 1902 war die Stadt Insterburg aus dem Kreis ausgeschieden, und der Landkreis Insterburg betätigte sich unter dem jugendlichen Landrat Magnus selbständiger als zuvor. Hatte schon vorher der 1821 gegründete "Landwirtschaftliche Zentralverein Insterburg" auf den Gebieten der Pferde- und Viehzucht überall anregend gewirkt, so versuchte man sich im Kirchspiel Puschdorf und der Nachbarschaft längere Zeit mit der Schafzucht, wechselnd zur Erzeugung von Wolle und Fleisch, wobei die Brüder Falkenthal sich besonders einsetzten, obwohl sie mit Seuchengefahren und unsicheren Wollpreisen rechnen mußten. Segensreich in mancherlei Hinsicht beeinflußten die landwirtschaftlichen Hausfrauenvereine Arbeit und Erträge. Die 1880 gegründete Altertumsgesellschaft Insterburg belebte den Heimatsinn durch ihre Sammlungen, in denen auch urgeschichtliche Stein- und Knochenfunde aus den Puschdorfer Gruben bestaunt wurden. Da sah man ausgebaggerte Steine und abgerollte Felsbrocken in allen Farben und verschiedener Zusammensetzung, die der Prokurist Lehmann vom Kieswerk Piaten und Spohd in Reichendorf sammelte. Geologen und Mineralogen wiesen nach, daß die Muttergesteine dazu in Ösel, dem Boden der Ostsee und Südfinnland anstehen. Der Nachweis, daß der Gletscher diese Zeugnisse über eine 500 Kilometer und mehr lange Reise südwärts verfrachtet hatte, gab gleichzeitig über die Strömungsrichtung des Eises Auskunft. In den Wäldern im südlichen Teil unseres Kirchspiels achtete man besonders nach dem Vorbild von Hegemeister Wels auf geschonte seltene Tiere wie Elch, Uraleule, Kraniche, Nachtschwalben und schwarze Störche, worauf Pfarrer John vom benachbarten Norkitten in seinen Erinnerungen hinweist.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatte sich das Kirchspiel Puschdorf nach Südosten erweitert. Die zuvor nach Norkitten eingewidmeten Dörfer Gr. Eschenbruch und Kl. Jägersdorf kamen jetzt samt dem Forstbezirk Rahnkalwen mit der Försterei Burgdorfshöhe und dem "Weideetablissement" Rose zu Puschdorf.

Das Ortsverzeichnis vom Jahre 1903 gibt für das Kirchspiel Puschdorf nachstehend genannte Güter, Gemeinden und Förstereien:

Name Größe/ha Zahl der Einwohner Schule
Albrechtsthal Gut
158
64
Albrechtsthal
Albrechtsthal Försterei
---
---
Albrechtsthal
Almenhausen Gut
231
60
Albrechtsthal
Burgdorfshöhe Försterei
55
Uderballen
Damerau Gemeinde
48
40
Piaten
Gr. Eschenbruch Gemeinde
598
375
Gr. Eschenbruch
Kl. Eschenbruch Gut
128
44
Moritzlauken
Frohnertswalde Gut
170
34
Gr. Eschenbruch
Kl. Jägersdorf Gemeinde
407
308
Kl. Jägersdorf
Kuhfließ Gut
95
20
Moritzlauken
Moritzlauken Gut
299
46
Moritzlauken
Pfeiffershöhe Försterei
---
Stablacken
Piaten Gut
677
157
Piaten
Piaten Gemeinde
52
197
Piaten
Puschdorf Gemeinde
460
465
Puschdorf
Ranglacken Gemeinde
153
101
Moritzlauken
Ranglacken Forstbezirk
803
50
Moritzlauken
Rahnkallwen Försterei
---
---
Gr. Eschenburg
Rose ---
---
Albrechtsthal
Stablacken Gemeinde
279
222
Stablacken


Es lebten also damals 2238 Menschen im Kirchspiel, wobei Alteingesessene und die laufend neu Zuziehenden nicht ohne Hemmungen zusammenfanden. Angespannte Arbeit, beengte Wohnungen, aber auch frohe Feste und z.T. recht trinkfreudige Gesellen halfen, sich gegenseitig zu ertragen. Dabei wirkte alljährlich das bunte Treiben auf dem weitbekannten Pferdemarkt im benachbarten Wehlau und auch manche herumziehende Gauklerbande mit ihren Tanzbären belebend.

Einige Bemerkungen über die Mühlen mögen folgen.

Das bescheidene Bächlein, zu dessen beiden Seiten die Puschdorfer Gehöfte liegen, heißt seit altersher der Mühlgraben, ohne daß man von einer Wassermühle Genaueres weiß. Nur der noch erkennbare Damm am westlichen Dorfrande und einige Fundamentreste geben Zeugnis. Die Mühle war wohl in der Frühzeit des Dorfes in Betrieb und wurde wegen Wassermangel aufgegeben, so daß nur der Name für den kleinen Bach blieb. Der Wasserlauf entspringt nur wenig mehr denn eine Wegstunde weit im Norkitter Wald; man wundert sich, daß auch bei bescheidenem Kraftbedarf solch geringe Wassermenge mit schwachem Gefälle eine Mühle betreiben konnte.

Viel besser steht es in Ranglacken, wo man noch nach 1700 die viel wasserreichere Menge für eine leistungsfähige Mühle nutzbar machte.

Als später die Windmühlen aufkamen, haben sich im Bereich unseres Kirchspiels einige bis ins 20. Jahrhundert erhalten, eine bei Gr. Eschenbruch und zwei bei Puschdorf. Die kleinere am Rande des Norkitter Waldes hat nie der Allgemeinheit gedient, sondern war nur für die beiden Bauern auf Kickopp als Schrotmühle in Gebrauch; sie ist seit der Elektrifizierung um 1924, wo fast alle Bauern sich einige kleine Schrotmühlen anschafften, mehr und mehr verfallen. Die andere, dicht nördlich des Ortes gelegen, war die Mühle des Dorfes. Sie gehörte zum Laupichlerschen Grundstück und war an den Müller Feuersenger verpachtet, geriet 1921 durch einen Blitzschlag in Brand und wurde nicht wieder aufgebaut. Die Puschdorfer Bauern brachten seitdem ihr Getreide nach Taplacken zur Mühle oder fuhren es zum Umtausch nach Wehlau.

Da im Bereich des Kirchspiels Puschdorf die Bodenbeschaffenheit sehr unterschiedlich war, oft nah beieinander vom leichten Sand zum schweren Lehm wechselte, bedingte das reichhaltige, verschiedenartige Bestände in den ausgedehnten Wäldern. Aber auch in den Ackerfluren konnten die Gegensätze nach allgemeiner Dränage nicht beseitigt, sondern nur gemildert werden. In Piaten z.B. grenzte dicht am Ort schwester Lehm an Flugsand. In dem Kiefernwald, den man hier zum Festhalten des Flugsandes angepflanzt hatte, war eine riesige Krähenkolonie ansässig geworden und ließ sich trotz des häufigen Krähenschiessens, das Amtsrat Kroeck mit vielen Sportjägern veranstaltete, nicht ausrotten. Beliebt und gehegt waren wie überall in Ostpreußen die Störche, lag doch unser Raum im Kreise Insterburg, der als Musterkreis für die Storchberingung durch die jahrelange Arbeit von Dr. Hornberger mit vielen Helfern sich einen Namen gemacht hatte. In den stillen, weiten Waldrevieren konnte man ernsthafte Naturforscher antreffen, wie den Insterburger Staatsanwalt Bercio, der eine reiche Käfersammlung im Laufe vieler Jahre zusammentrug, die später der Königsberger Universität vermacht wurde. Oder man begegnete dem Lichtbildmeister Hermann Braun, der über 100 Schmetterlingsarten nachwies, neue Arten für unseren Raum entdeckte und bestätigte, was an Vögeln und Pflanzen schon bekannt war, nämlich die Tatsache, daß im mittleren Ostpreußen noch fast alle westeuropäischen Arten vorhanden sind und sich mit den osteuropäischen, ja asiatischen verzahnen, die hier ihre Westgrenzen erreichen.

In derartigen Forschungen und Beobachtungen reihte sich neben anderen Pflanzenkundigen im engeren Raum um Puschdorf Pfarrer Waldemar Ammon ein. Er war am 25.06.1875 in Domnau geboren, wirkte 1903 zuerst als Pfarramtsverweser und dann 1909-1927 als Pfarrer in Puschdorf. Nach kurzer Hauslehrerzeit vorher in Schlesien fand er heir seine erfolgreiche Lebensstellung. Für die Schulen seines Kirchspiels hatte er regen Sinn, wurde bekannt als großer Gartenfreund und guter Pflanzenkenner, der verschiedentlich Standorte seltener Gewächse entdeckte wie gelben Fingerhut, Sonnentauarten und isländisches Moos am Rande des Pregeltales. Er behielt seine Beobachtungen nicht für sich, sondern zeigte sie und weckte damit bei Gleichgesinnten und vor allem in der Jugend Liebe zur Heimat. Als er fühlte, daß sein Gesundheitszustand dem Außendienst, besonders den Winterbegräbnissen in dem weit verzweigten Kirchspiel, nicht mehr voll gewachsen war, übernahm er zum Bedauern seiner Pfarrkinder eine Pfarrstelle in Schönberg bei Mühlhausen im Kreis Pr. Holland mit milderem Klima. Nach der Flucht lebte er in Lauenhagen bei Stadthagen, wo er im hohen Alter zeitweise noch amtierte und am 23.06.1960 gestorben ist.

Was das Vereinsleben im Dorf betraf, so muß man wohl sagen, daß Puschdorf ein recht geselliges Dorf war. Schon in den Jahren vor 1914 gab es dort einen Vaterländischen Frauenverein, einen Krieger-, einen Handwerker-, einen Schützen- und einen Bienenzuchtverein, die alle über den Bereich des Dorfes hinausreichten und die Nachbarorte unseres Kirchspiels Stablacken, Ranglacken, Almenhausen, Damerau und Piaten mit einschlossen. Gr. Eschenbruch mit den umliegenden Ortschaften stand etwas abseits und war in manchem selbständug, was gesellige Veranstaltungen betraf. Der Frauenverein stand lange Jahre unter der Leitung von Frau Pfarrer Ammon, den Bienenzuchtverein leitete und umsorgte Lehrer Senkel aus Stablacken, der Kriegerverein war ein Gründung der Veteranen von 1870/71, der sich durch Reservisten ergänzte. Am Grabe eines alten Kriegers wurde Salut geschossen, aber mit dem Ende der Zwanziger Jahre ist der Verein eingeschlafen. Diese Vereine feierten ihre Feste mit Musik und Tanz und Darbietungen aller Art, in denen kleine Theaterstücke immer den Kern bildeten, im Saale des alten, im Jahre 1911 umgebauten und aufgestockten Dorfkruges. Er war zwei Generationen langim Besitz der Familie Mandel und wurde 1931 von Fritz Schmidt erworben. Es gab in Puschdorf noch ein zweites Gasthaus auf dem alten Frommholdschen Grundstück, das Willy Pauls 1925 kaufte. Der Handwerkerverein, dessen langjähriger Leiter der Bäckermeister Schink war, feierte meist ein Sommerfest auf dem schönen Festplatz am Waldrand an dem Wege nach Stablacken, einer geräumigen Lichtung mit zwei schönen Eichenbäumen. Dort fanden auch die jährlichen Schulfeste statt, an denen sich außer der Puschdorfer Schule auch die Schulen Stablacken und Piaten beteiligten. Das war immer ein großes Volksfest mit Kinderspiel und Tanz und allerlei Belustigungen, das mit einem Zug mit Fahnen und bunten Lampions zum Dorfe endete und zwar am Pfarrhause, wo dann Pfarrer Ammon noch allen Gutenacht wünschte, und ein Abendlied singen ließ. Auch der Schützenverein, dem lange Zeit Förster Teupel vorstand, feierte ein Sommerfest. Es war ein etwas exklusiver Klub, zu dem nicht jeder Zutritt fand. Die Förster und die wohlhabenden Bauernsöhne bildeten seinen Kern. Auf dem Schießplatz im Wald bei Ranglacken fand das jährliche Königsschießen statt, und ihm folgte dann am Abend der gesellige Abschluß im Saale in Puschdorf. Ein Arbeiterverein, der sich nach der Revolution um 1920 gründete, hatte keinen langen Bestand, und seine Veranstaltungen waren bloße Tanzabende. Auch der Jünglings- und Jungfrauenverein, den Pfarrer Ammon begründete, hat sich nur ein paar Jahre gehalten. An seine Stelle trat der Sportverein, von Lehrer Lindemann/Puschdorf etwa 1925 ins Leben gerufen. Aber auch er kam zu keiner rechten Blüte, weil es nicht gelang, einen ordentlichen Sportplatz für ihn zu erwerben und auszubauen.

Zu Beginn des Ersten Weltkrieges wurde im August 1914 von den nach der Schlacht bei Gumbinnen bis zur Deime vordringenden russischen Truppen auch unser Kirchspiel Puschdorf vom 25.08.-10.09. besetzt. Sowohl in Insterburg wie in Wehlau waren unerschrockene Bürger zurückgeblieben und verstanden es, unter der Fremdmacht einheimische Ordnung aufrecht zu erhalten; in Insterburg war Dr. med. Bierfreund Gouverneur, in Wehlau der Buchdruckereibesitzer Scheffler kommissarischer Bürgermeister. Sie haben feindliche Willkür verhindern oder doch wenigstens abschwächen helfen, und das wirkte sich auch im Umkreis der Städte auf dem Lande aus. Im Kirchspiel wurde nur ein Mann nach Sibirien verschleppt, der Landarbeiter Hagenbach aus Reichenhof. Er schrieb Karten nach Hause und kehrte 1918 gesund zurück.

In Puschdorf, dessen Bevölkerung vorwiegend aus Arbeitern und Handwerkern bestand, hat man das Erlöschen der Monarchie 1918 wenig bedauert. Die Demokratie, deren hervorstechenster Wert vornehmlich darin gesehen wurde, daß nun der "kleine Mann" auch etwas zu sagen hatte, führte sofort zu einer Ablösung des "Erbschulzen" Laupichler, der über zwei Jahrzehnte im Dorfe regiert hatte. Bürgermeister wurde der Bäckermeister Schink; doch blieb er es etwa nur vier Jahre, dann übernahm den Posten wieder ein Bauer (Hoffmann/"Kickopp"), wie es seit jeher Tradition im Dorfe gewesen war.

In den Kriegsjahren und besonders danach erwuchsen die Kiesgruben zu verstärkter Bedeutung. Lange hatten die Piater Kiesgruben den Bedarf der Eisenbahn gedeckt. Als sich dieses Verhältnis, angeblich wegen zu hoch gespannter Forderung der dessauischen Forstverwaltung unter Forstmeister Jenach, löste, ging die Belieferung auf das benachbarte Gut Reichenhof über, das hart an der Grenze zum Kreis Wehlau liegt. Ernst Krups, ein anerkannter Kiesfachmann, hatte Reichenhof erworben und begann 1915 nach neuzeitlichen Verfahren und Gerät erfolgreich zu arbeiten. Für die Piatener Gruben gab es neuen Aufschwung, als im Jahre 1922 das "Ostpreußische Schleuderbetonwerk", ein Zweigunternehmen des Ostpreußenwerkes, unter Regierungsrat Wißmann erbaut wurde. In rascher Folge verließen etwa 5000 Betonmasten für die Überlandleitungen des Ostpreußenwerkes die Fabrik. Nach Einführung der Rentenmark erwiesen sich die Betonmasten als zu teuer gegenüber den eiserne Gittermasten, und der Betrieb wurde stillgelegt. Um 1930 übernahm die aus Pommern stammende Kiesfirma Major Anker die Fabrik und erweiterte sie 1933 um eine elektrische Wasch- und Sortieranlage für Kiese und Schotter. Die Reichsbahn, die Autobahn Elbing-Königsberg und andere Bauvorhaben der öffentlichen Hand waren die Abnehmer. In Tag- und Nachtschichten kamen täglich 100-120 Waggon gewaschener und sortierter Kies zum Versand. Örtlicher Leiter war der Ingenieur Hermann Krups, ein Bruder von Ernst Krups in Reichenhof. Die Gebrüder Krups stammten aus dem Kreis Darkehmen, überwanden die Wirtschaftsnot gegen Ender der 20er Jahre und erlebten nach 1933 neue Blüte, als u.a. die Flugplätze in Gutenfeld und in Neukuhren angelegt wurden

In Puschdorf und in Piaten wohnten die Familien der zugewanderten zahlreichen Arbeiter. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden sechs Siedlungshäuser erbaut, nach 1933 kamen weitere zwanzig hinzu. In Spitzenzeiten stieg mit sonstigen Kräften aus den Orten des Kirchspiels die Arbeiterzahl auf 50-60. Die Güter des Anhalt-Dessauischen Besitzes waren lange in eigener Administration durch Verwalter bewirtschaftet worden. Dann verfügte 1875 Minister v. Larisch von Dessau aus die Verpachtung. Dieses Verfahren blieb ein halbes Jahrhundert bestehen, bis man trotz guter Erfolge unter tüchtigen Pächtern nach dem Kriege daran ging, die Domänen nach Ablauf der Pacht nicht wieder zu vergeben, sondern erneut in Selbstverwaltung zu nehmen. Manche der langjährigen Pächter wie Amtsrat Kroeck-Piaten, der Kreisausschußmitglied war, Fähser Vater und Sohn in Norkitten und Amtsrat Du Maire-Birkenfeld, der auch politisch tätig war. hatten nicht nur gut gewirtschaftet, sondern durch ihre hochgezüchteten Herdbuchherden und sonstige fortschrittliche Maßnahmen im Arbeitsprozeß durch verbessertes Gerät vorbildlich auf den mittleren und kleineren Besitz gewirkt.

Stellvertretend seien einige Daten von der Fähserschen Pachtung Norkitten genannt:

1878 Milchseparieren und Buttern mittels Göpelantrieb.
1881 Grasmäher Wood Pferdeharke -
1882 Englischer Dreschsatz, Lokomobile und Elevator, vorher Stiftendreschapparat.
Kauf des holländischen Bullen Garfield und vier junger Kühe als Beginn der reinblütigen Zucht.
1884 Mitglied der Ostpr. Herdbuchgesellschaft.
1886 Einrichtung der Dampfmolkerei und zugleich Wasserleitung in der ganzen Wirtschaft und der Küche.
1890 Anschaffung der ersten Drillmaschine von Zimmermann/Halle.
1895 Ende der Drainage und Kauf von drei Kultivatoren Deering mit Sitz für den Fahrer. Zuckerrüben werden erstmalig angebaut und der Acker mittels Dampfpflug in Tiefkultur genommen.
Schafhaltung als unwirtschaftlich aufgegeben.
1895 Der erste Oberschweizer übernimmt die Kuhherde.
Mit Beginn des Zuckerrübenbaus setzt die Zeit der Saisonarbeiter ein, was bis 1914 erfolgreich sich auswirkte.
Während vereinzelt schon frühzeitig Elektrizität erzeugt wurde, kam diese Energiequelle erst nach 1924 zu allgemeiner Verwendung, als im Friedland das Kraftwerk durch Stauung der Alle erbaut wurde.


Zuletzt gab es eine gesunde Mischung der verschiedenen Besitzarten, über die im Anschluß an das Güteradreßbuch 1932 berichtet werden soll, wenngleich die Namen der Bauern zum guten Teil fehlen.

Die vier dessauischen Domänen, allesamt mit großen Herdbuchherden, hatten wechselndes Geschick. Albrechtsthal, das in der Größe von 158 ha bis 1929 an Oberamtmann Giese verpachtet war, blieb nur ein Jahr in dessauischer Verwaltung. Nachdem etwa 33 ha an Bauern in Gr. Jägersdorf in kleineren Anteilen verkauft worden waren, verpachtete man das Restgut mit 125 ha wieder und zwar an Richard Papendieck, der es bis 1945 behielt. Almenhausen, 236 ha groß, eine langjährige Pachtung von Oberamtmann Oschließ, wurde 1932 von seiner Witwe Clara Oschließ und den Kindern bis 1941 bewirtschaftet. Ihr folgte als Verwalter in den Kriegsjahren bis 1945 Thieß, der auf der Flucht 1945 umkam. Moritzlauken, zuletzt Moritzfelde genannt, war 294 ha groß und bis 1922 an Familie Werner verpachtet, bis man es 1930 wieder verpachtete und zwar an Heinrich Blechschmidt, der bis zur Vertreibung 1945 blieb und sich anerkannt der Jungviehaufzucht widmete. Piaten, mit 551 ha, eine der größten Domänen der dessauischen Lande, hatte bis 1924 den Amtsrat Kroeck zum Pächter. Danach wurde es elf Jahre lang erst von Schütze, dann von Sinnhuber verwaltet. Von 1932-35 war hier der Sitz der Herzogl. Domänenverwaltung. Als Herzog Joachim Ernst das Schloß Norkitten bezog, wurde der Stab der Oberleitung der Begüterung von Norkitten nach Piaten umquartiert mit Regierungsrat a.D. Dr. jur. Tischbein und Rentmeister Alsleben, bis beide 1935 nach Dessau zurückgingen. Die Domäne Piaten wurde 1936 von der "Ostpreußischen Siedlungsgesellschaft" in Königsberg übernommen und von dieser aufgeteilt. Es entstanden neben kleineren Flurstücken vier größere Besitzungen bis 50 ha und ein Restgut von 100 ha. Das Restgut übernahm Herr von Damm. Die Anteile zu 50 ha erhielten als Besitzer Schwarz, Dreyer, Lassen und Sattler. Die kleineren Stücke, vor allem die begehrten, für Weidegärten und zur Heugewinnung erwünschten Pregelwiesen, gingen an Anlieger und Eigenkätner. Dem Sägewerk, ehemals Jäger, dann Grigull, fiel ein Streifen Ackerland beiderseits der Zufahrtsstraße von Puschdorf her zu, der als Lagerplatz für Schnittholz und Ablage von Rundholz diente, das mit dem Anschlußgleis vom Bahnhof zum Gelände der ehemaligen Kiesgrube Piaten kam. Am Bahnhof Puschdorf selbst bestand seit altersher ein Abstellgleis, als Holzablage und Verladestelle.

Zu Anhalt gehörten auch die ausgedehnten wohlgepflegten Wälder, die als Fortsrevier Waldhausen unter dem Forstmeister Max Robitzsch zusammengefaßt waren. Von den im ganzen 4936 ha lagen im Kirchspiel Puschdorf 803 ha als Forstgutsbezirk Ranglacken, zuletzt in Eichental umgetauft, mit den Försterein Albrechtsthal-Rose und Pfeiffershöhe, außerdem die staatlichen Förstereien Burgdorfhöhe und Rahnkallwen, in Buchwald umbenannt, im Forstgutsbezirk Astrawischken (Astrau).

An selbständigen Gütern in Privatbesitz treffen wir nur drei an: das "erbfreie" Klein-Eschenbruch, gehörte ehemals, wie gesagt, zu den Piatenschen Gütern und kam 1724 in dessauische Hand. Es umfaßte 138,5 ha, wurde im 19. Jahrhundert an Rohrmoser verkauft; zuetzt war Hans Junklaussen der Besitzer, der u.a. eine eigene Hengsthaltung einrichtete. Frohnertswalde gehörte um 1870 dem Besitzer Schlodtmann und kam in der Größe von 177 ha an v. Leckow. Das tief im Wald gelegene Gut bearbeitete 75 ha Ackerland gegenüber 100 ha Wiesen und Weiden. Das dritte dieser Güter war das nördlich der ausgedehnten Stuttwiesen an der westlichen Kreisgrenze 110 ha große Gut Adlig Kuhfließ, dessen Eigentümer 1932 Hauptmann a.D. Ingo v. Körber hieß.

In den dörflichen Gemeinden sind die Namen der Eigentümer nur unvollständig aufgeführt. Auch die Besitzgrößen bleiben wegen vielfacher Zu- oder Verpachtung unsicher.

Damerau nennt bei 48 ha Größe August Wölk mit 28 ha und Hugo Molgedey mit 20 ha. In Gr. Eschenbruch, in dem die Grundstücksnummern bis 35 laufen, lesen wir sieben Besitzer im Dorf und den zahlreichen Abbauten. Bei einer Gesamtgröße von 598 ha beackern sie 325,5 ha. Die restlichen Namen sind nicht angegeben.

Östliches Dorf Nr. 20 Bahr 60 ha
Abbau Nr. 35 Max Kaiser 47,5 ha
Westliches Dorf Nr. 7 Moritz 39 ha
Abbau Nr. 32 Albert Neumann 25 ha
Östliches Dorf Nr. 21 Fritz Riemann 35 ha
Westliches Dorf Nr. 8 Ernst Schadwinkel 41 ha
Gut Richard Steiniger 72 ha


Bei Kl. Jägersdorf, zuletzt in Jägertal umgetauft, 407 ha umfassend, fehlen alle Namen.

In Piaten besteht neben der großen Domäne und dem Kieswerk ein räumlich kleiner Gemeindebesitz, der bei 52 ha Größe 197 Einwohner hat. Da haben auch die letzten Kahnschiffer gewohnt, die winters ihre Lastkähne an der Mengemündung ruhen ließen. Der Krug war lange im Besitz der Familie Borschell.

Von den 460 ha, welche die Puschdorfer Flur ausmachten, gehören außer dem meist verpachteten Pfarrland mit 75 ha als größter Hof von 175 ha der, der unter dem Namen Witwe Anna Laupichler läuft. Von den alten Bauernstellen bestanden noch im Dorf selbst außer Laupichler die Grundstücke Audirsch (seit 1921 bewirtschaftet von dem Schwiegersohn Franz Huppke, der seit 1931 auch der letzte Bürgermeister des Dorfes war), Pauls, Schulz und Ganshübner, und im Abbau Hoffmann, Poweleit und Wenk, alle in den Größen von 18-30 ha. Bemerkenswert ist noch, daß um die Dreißiger Jahre aus Kleinbetrieben durch Zukauf von Land, vornehmlich aus dem Besitz der Domäne Piaten, neue bäuerliche Betriebe von 10-12 ha entstanden, z.B. von Albert Stein, Willy Fischer und Ernst Paegert.

Ranglacken, das den klangvollen altpreußischen Namen an die fünf Jahrhunderte geführt hat, nahm den farblosen Namen Eichental an. Von seinen 153 ha besaßen:

Albert Tausendfreund Nr. 1 32 ha
Karl Grabowski II Nr. 2 32 ha
Karl Grabowski I Nr. 12 49 ha


Der Rest von 40 ha verteilte sich auf kleinere Höfe.

Endlich Stablacken; es gab seinen altpreußischen Namen Steinfeld zu Gunsten von Pregelau auf, weil im Kreis Insterburg noch zwei andere Stablacken vorhanden waren eins, im Kirchspiel Pellingken (Striegengrund) und ein weiteres bei Neunischken (Neunassau). Pregelau hat sich von 279 ha auf 323 ha vergrößert. Es werden genannt

Karl Fuchs
43 ha
Max Kaiser
105 ha


In diesen Jahren wachsender Bevölkerungszahlen und zunehmend eingestzter Maschinen in den Betrieben, aber zugleich harter Not der Landwirtschaft - sank doch der Preis für Roggen 1929 und später von 9 auf 6 Mark - beginnt die Amtszeit des letzten Puschdorfer Pfarres Paul Just. Er war in Lötzen am 09.09.1889 geboren, studierte in Königsberg und in Tübingen. 1914 zog er als Unteroffizier ins Feld, wurde nach der Schlacht bei Tannenberg zum Offizier befördert, mehrfach ausgezeichnet, aber nach Durchschuß des linken Ellenbogens in der Heimat als Gräberoffizier verwendet. Am Gefallenenfriedhof Jägerhöhe bei Angerburg hat er bestimmend mitgearbeitet. Von 1921-1927 wirkte er als Pfarrer in Postnicken am Kurischen Haff. Er bewarb sich dann um die Pfarre in Puschdorf, weil er für seine heranwachsenden Kinder die Nähe einer Stadt mit höherer Schule, d.h. Wehlau, erstrebte. Forstmeister Robitzsch als Bevollmächtigter der Dessau-Anhaltinischen Patronatsverwaltung erwählte ihn sofort ohne Probepredigt als einen tatkräftigen, dem praktischen Leben aufgeschlossenen Mann. Das zeigte sich bald. Die 300 Morgen Pfarrland waren bislang zum Teil in kleinen Stücken verpachtet gewesen. Die Bauern gaben in den Notjahren um 1930 wegen Leuteschwierigkeiten vielfach die Pacht auf. Da entschloß sich Just, etwa 100 Morgen selbst zu bewirtschaften, schaffte die nötigen Betriebsmittel an und packte trotz seines steifen Armes oft selbst zu. Er hatte Erfolg und erwarb sich bei seinen Pfarrkindern bis zur Vertreibung 1945 hohe Wertschätzung. In der Kirche hingen an einer Ehrentafel die Orden und Namen der verstorbenen Kriegsteilnehmer von 1813, 1864, 1866 und 1870/71. Im Jahre 1920 war eine Gedenktafel für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges mit 57 Namen feierlich eingeweiht worden. Nun wurde um 1930 ein Kriegerdenkmal aus Steinen mit der Inschrift "Unseren gefallenen Helden die dankbare Heimat" auf dem Dorfanger unweit der Kirche errichtet. Das Volksschulwesen wurde ständig ausgebaut und verbessert. Über seinen Stand am Schluß des Zweiten Weltkrieges unterrichtet die Anlage auf S. 281.

Wie es vielfach in Ostpreußen 1933 der Fall war, erhoffte man sich auch in Puschdorf von der neuen Regierung straffe Maßnahmen gegen die Arbeitslosigkeit und Fürsorge zugunsten der vom Reich getrennten Provinz. Anfänglich kam die vielbetonte Volksgemeinschaft z. B. auch dadurch zum Ausdruck, daß die braunen Formationen beim Erntedankfest mit zur Kirche kamen und mit ihren Fahnen neben denen der örtlichen Vereine um den Altar standen. Doch unterblieb das bald. Pfarrer Just verhehlte als Hirt seiner Gemeinde keineswegs sein Mißfallen über Anmaßung und Willkühr der Partei und brachte sich durch freimütige Worte von der Kanzel in Gefahr. Es gab zwar nur einige, aber ungehemmte Parteifanatiker, und der Ortsgruppenleiter hielt schließlich in den letzten Jahren am Kriegerdenkmal selbst "Gottesdienst" ab. Die große Mehrheit der Gemeinde hielt treu zu ihrem Geistlichen.

Der Zweite Weltkrieg schlug zunächst mit nur kleinen Wellen in das Kirchspiel Puschdorf. Der Polenfeldzug ging rasch vorüber. Die große Halle im Kieswerk Piaten wurde als Getreidespeicher eingerichtet und diente zur Lagerung von russischem Roggen. Der Aufmarsch zum Rußlandfeldzug flutete vorbei, ohne daß die meisten erkannten, was sich hier vorbereitete. Auf den Stuttwiesen begann die Luftwaffe in den nächsten Jahren mit dem Bau des Flugplatzes Moritzfelde. Er kam zwar nicht zum Einsatz für Flugzeuge, barg jedoch in seinen im Walde gut getarnten Baulichkeiten kriegsgefangene Russen, die sich für Wlassow einsetzten. Es mehrten sich die Familien, in denen Väter und Söhne in Rußland gefallen waren, und die kriegsgefangenen Franzosen, Polen und Russen mußten in der Landwirtschaft und sonstigen Betrieben aushelfen. Im Herbst 1944 näherten sich bedrohliche Wolken, als aus den östlichen Grenzkreisen das Vieh zu Tausenden durch das Inster- und Pregeltal getrieben wurde, die wertvollen Flußwiesen zertrampelt und nur truppweise auf Seitenstraßen abgeleitet werden konnte, um die kriegswichtige Reichsstraße Nr. 1 einigermaßen frei zu halten. Diesem Vorgeschmack von Bedrängnis folgte im Januar 1945 allzuschnell das jähe Ende. Wie überall war auch hier die Räumung zu spät angeordnet worden. Das Militär half, wo es konnte. So nahm z.B. eine Reparatureinheit der Panzerwaffe, die am Bahnhof Puschdorf in einem großen Zelte stationiert war, bei ihrem Abrücken etwa 150 Puschdorfer mit. Die meisten anderen, darunter auch Pfarrer Just mit Familie, treckten mit ihren besten Pferden, großenteils Trakehner Abstammung, wie fast überall zu spät, wurden vom Feinde überrollt oder verloren wie im Heiligenbeiler Kessel und beim Überqueren des Frischen Haffs Wagen, Pferde und ihre Habe. So mündete das Puschdorfer Kirchspiel im Elend der Zerstreuung. Und wieder bewährte sich Pfarrer Just. Er versah nach der Vertreibung in Hohn bei Rendsburg das Pfarramt und bemühte sich frühzeitig um die Sammlung seiner Gemeinde. Er glaubte fest an die Rückkehr in die Heimat und war mit seiner Zuversicht eine Stütze für viele seiner dem Westen fremden Pfarrkinder, bis ihn, allgemein betrauert, überraschend am 24.01 1949 der Tod hinwegraffte.

Ich schließe mit Auszügen aus Briefen meines Gewährsmannes Willy Fischer, einem Puschdorfer Kind. Er hatte lange in der Kiesgrube von Piaten als Waschmeister gearbeitet. Er schreibet:

"Ich wurde im Oktober 1944 eingezogen, geriet im Kessel von Heiligenbeil in Gefangenschaft. Im Sommer 1945 war ich etwa 5 Kilometer von Puschdorf entfernt im Kreis Wehlau in Stobingen, Petersdorf und Taplacken einer Kolchose zugeteilt. Einmal bin ich nach Puschdorf gekommen, durfte aber nicht auf mein Grundstück. Sieben Häuser lagen in Ruinen, die anderen, darunter Laupichler, sowie Kirche, Schule und Kieswerk Anker sowie Reichenhof waren erhalten. Auf Laupichlers Hof hausten etwa 60-70 deutsche Kriegsgefangene, die in der Reichenhofer Grube Kies in Waggons aufladen mußten. Die Holzmasten der Überlandleitungen in den Ortsnetzen waren zum großen Teil abgesägt; die geteerten Masten brannten gut. Die wertvollen Kupferdrähte lagen auf den Feldern und den Wegen herum. An den Gebäuden fehlten Fenster und Türen. Alles hölzerne wird verbrannt. Über die verfallenen Häuser wucherten Nesseln, Melde, Kletten und Hundskamille. Im meterhohen Unkraut der ehemaligen Gärten blühten manchmal tief versteckt die Rosen der letzten Bewohner und leuchteten die roten Johannisbeeren. In der Kirche fehlten die drei bronzenen Glocken. Die Tür der Kanzel mit dem gekreuzigten Christus lag als Gehsteig über dem Dorfbach, dem Mühlgraben. Im Inneren der Kirche waren Gestühl und Bänke herausgebrochen und verschleppt. Nicht anders sah es in der Schule aus...Der Russe formt das eroberte Land zur Steppe, die er als Nomade liebt."

Der Schreiber schildert seine Eindrücke vom Sommer 1945. Er hatte dann Gelegenheit, Rußland kennen zu lernen, als er mit einem Beutezug durch das weite Land bis hinter den Kaukasus an die armenischen Gebirge fuhr und dort arbeiten mußte. Zeitweilig typhuskrank entließ man ihn im August 1947 als arbeitsunfähig in einem Transport von 1100 Leidensgenossen nach deutschland.

Hell werden die Augen der Puschdorfer, wenn sie von ihrer Heimat erzählen.


Anlagen

Die Volksschulen des Kirchspiels Puschdorf (Kr. Insterburg)

(aufgestellt von Herrn Lehrer Zerrath, Lage Kr. Detmold)

1. Puschdorf, zweiklassig, Eigen-Schulverband
Präzentor Post - 1895, dann Guddas und Präz. Poddick - 1911, Präz. H. Thertel - 1930, dann sein Sohn E. Thertel - 21.01.1945. Als zweiter Lehrer an der Puschdorfer Schule wirkten u.a. P. Senkel, bis 1910, der dann die Schule in Stablacken übernahm, H. Siebert bis 1919, der darauf in Königsberg studierte und promovierte und Rektor an der dortigen Fahrenheidschule wurde, Frl. M. Ennulat bis 1921, G. Lindemann bis 1927 und Paul Gwiasda bis 1931, der dann Schulleiter in Albrechtsthal wurde.
2. Piaten, zweiklassig, Gesamtschulverband bis 1908
Patronat-Schulv. Lehrer A. Heinig - 1916, Lehrer Jabot - 1923, Lehrer Ehrenberg - 1934, Lehrer Dignat - 1945.
Bem.: Zum Schulbezirk gehörte vom Kreis Wehlau die Anstalt Altwalde.
3. Pregelau, (Stablacken) Gesamtschulverband, zweiklassig
Lehrer Grahl - 1910, Lehrer P. Senkel - 1945
Bem.: Zum Schulbezirk gehörte vom Kirchsp. Norkitten das Gut Kutkehmen.
4. Gr. Eschenbruch, Gesamtschulverband, zweiklassig
Lehrer Neff - 1913, Lehrer Paprottka - 1917, Lehrer Eder - 1925, Lehrer Gobert - 1943, dann Vertreter.
5. Kl. Jägersdorf (Jägertal I) Eigenschulverband, einklassig
Lehrer Pöwe von 1856 - 1893, Lehrer Schutter - 1932, Lehrer Neumann - 1945.
6. Albrechtsthal (Jägertal II), Gesamtschulverband, bis 1908 Patronat-Schl., einklassig, dazu Gut Almenhausen
Lehrer Baranowski - 1897, Lehrer Reinecker - 1913, Lehrer Bussas - 1927, Lehrer Porst - 1931, Lehrer Gwiasda - 1945.
Bem.: Zum Schulbezirk gehörte von der Gem. Gr. Jägersdorf der Ortsteil Szalies.
7. Moritzlauken (Moritzfelde) - (Eschenbruch II) einklassig, bis 1908 Patronats-Schule.
Lehrer Grahl - 1892, Lehrer Fischer - 1915, Lehrer Zerrath - 21.01.1945.
Bem.: Zum Schulbezirk gehörte vom Kreis Wehlau das Gut Neuwalde.
Bemerkung: Bis Anfang der zwanziger Jahre gab es im Kirchspiel noch die 7 Landgemeinden: Puschdorf, Stablacken, Piaten, Ranglacken, Damerau, Gr. Eschenbruch und Kl. Jägersdorf und die sieben selbständigen Gutsbezirke Almenhausen, Albrechtsthal, Kl. Eschenbruch, Frohnertswalde, Kuhfließ, Piaten und Moritzlauken sowie endlich die vier Forstbezirke Pfeiffershöhe, Albrechtsthal u. Ranglacken (alle herzogl.) und Rahnkallwen (Buchwald) (staatlich).


Quellen


1. C. Engel: Vorgeschichte der Altpreußischen Stämme, Verlag Gräfe u. Unzer, Königsberg 1935, Bd. 1, S. 310 ff.
2. Kiewning - Lukat: Urkunden zur Geschichte des ehemaligen Hauptamts Insterburg (im Auftrag der Altertumsg. Insterburg) Insterburg 1895 bei Eugen Herbst.
3. Kasiske: Siedlungstätigkeit des Deutschen Ordens im östlichen Preußen bis 1410, Königsberg 1934 bei Gräfe u. Unzer (Einzelschr. der Hist. Kom. für ost- u. westpr. Landesforschung Nr. 5)
4. H. Polenz: Chronik der dem Herzog von Anhalt gehörigen Norkittenschen Güter bis 1868, Insterburg 1885 bei Wilhelmi.
5. Tobien: Kirchengemeinde Puschdorf. Preußische Provinzialblätter Bd. 30, 1843, S. 114 u. Fortsetzungen (mit vollständiger Liste der Pfarrer).
6. Pfarrer John, Norkitten: Handschriftliche Anmerkungen zur Chronik der Herrschaft von H. Polenz bis etwa 1920. (Beim Verfasser).
7. Werner Niemöller: Die herzoglich-anhaltische Herrschaft Norkitten 1875 bis 1945. Handschrift im Besitz der Kreisgemeinschaften Insterburg in Krefeld, 1965 (zum Druck vorbereitet).
8. E. Struwe: Ortschaftsverzeichnis Land- und Stadtkreis Insterburg, Insterburg 1903 (Quandel).
9. Niekammer: Lanfwirtschaftliche Güter-Adreßbücher, III, Ostpreußen, Leipzig 1932.
10. Fritz Audirsch: Mölln: Ostpreußenblatt 1965 Folge 50 und handschriftliche Berichte
Ferner: Briefliche Berichte
der Herren Willy Fischer, Bremerhaven, Leher i.R.,
Karl Zerrath, Lage, Frau Pfarrer Just, Rendsburg, sowie Friedrich Nickel, Lembruch, Kr. Diepholz.
Die Dessauischen Akten und die Grundbücher von Insterburg sind verschollen bzw. unzugänglich.



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