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Die Ursprünge der Familie de Clapey (Fels) im Aosta-Tal
Eine mittelalterliche Wasserleitung


von Herrn Dr. Heribert Marx, Darmstadt

 
Die Familie Fels trug ursprünglich den Namen de Clapey und stammt aus dem Dorf Sommarèse (heute Ortsteil von St. Vincent) im Aosta-Tal. Die Siedlung liegt in 1535 m Höhe über dem Meer am Südwestabhang des Mont Joux, der in der Römerzeit Mons Jovis / Jupiterberg genannt wurde.
 

Blick über Sommarèse nach Westen, im Hintergrund der Montblanc.

 
Die älteste Urkunde über die Sippe stammt von 1393, als Antonius de Clapey, zusammen mit Einwohnern von neun anderen Bergdörfern eine Genossenschaft zur Wasserversorgung gründete, welcher der Graf Iblet de Challant seinen Schutz verleihen wollte.

Auf der Alpensüdseite sind die Niederschläge im Sommer spärlich, die Felder auf den flacheren Hängen können unter Trockenheit leiden, wobei die genannte Höhe schon an und für sich schwierige Verhältnisse mit sich bringt. Woher konnte man Wasser nehmen? Lokale Wasserläufe gibt es nicht.

Dagegen fließt im Osten jenseits der Bergkette, im Val d’Ayes, der große Bach Evançon (italienisch Aventina), mit reichlich Wasser. Dieser entspringt nämlich aus dem Gletscher Ventina am Südhang des kleinen Matterhorns, zwischen dem Monte Rosa und dem eigentlichen Matterhorn. Selbst bei langanhaltendem sengenden Sonnenschein versiegt eine solche Quelle nicht, eher im Gegenteil. Das Problem bestand darin, wie man das kostbare Nass über die Bergkette hinwegbringen konnte.

Das haben die Bergbauern dadurch gelöst, dass der Evançon weit genug oben angezapft wurde, so dass man das Wasser in einem künstlichen Bachbett mit einem Gefälle von 1 zu100 auf den Paß du Joux in 1640 m Seehöhe leiten und dann von dort in Zweigkanälen verteilen konnte.

 

Sommarèse zwischen St. Vincent und dem Paß Col de Joux aus der Vogelperspektive

 

Skizze des Kanals Val d’Ayas

  Dieser Kanal, in der lokalen Sprache Ru (von lateinisch Rivus, Bach) musste nun 25 km lang an den Felshängen, vor allem des Mont Zerbion (2720 m), ausgehauen werden und dabei allen Windungen des Geländes mit gleichbleibendem Gefälle folgen. Manche Strecken erforderten dabei eine Art Verrohrung mit Holzplanken, einzelne Schluchten sogar Brücken. Die weitere Verteilung (nochmals 25 km) war dann nicht ganz so schwierig.

Das Wasser wurde dann nach Plan mit Schiebern verteilt. Mit den Wochentagen ging das verhältnismäßig einfach; schwieriger war es mit den Uhrzeiten während des Tages, man hatte ja noch keine Uhren. Man half sich mit dem Schatten, den die Berge zu bestimmten Stunden auf die Kirche von St. Vincent warfen.

Der Kanal versorgte 10 Gemeinden über mehr als vier Jahrhunderte hinweg, noch 1857 hatten englische Alpinismus-Pioniere auf dem Col de Joux ihr Maultier daraus getränkt. Im 20. Jahrhundert fanden Besucher ein trockenes Bachbett, an manchen Stellen waren noch alte Holverschalungen vorhanden. In neuester Zeit (1995) hat man den Ru d’Ayas wiederhergestellt, natürlich mit den technischen Mitteln unserer Zeit. So kann man wieder einen eigenen Bach nach Sommarèse fließen sehen.

 

Mont Zerbion and der Westseite des Ayas-Tals.
Der Paß Col du Joux oberhalb des Pfeiles

 

Wasser für die Felder
von Sommarèse. Auch heute
gibt es noch Schieber zur Verteilung
des Wassers.

 

Blick von Sommarèse nach Südosten zum Aosta-Tal.

 
Eine weitere Urkunde (von 1433) nennt Verwalter ds Kanals, drunter Martinodus de Clapey. Kirchenbücher, wie sie im 16. Jahrhundert üblich wurden, gab es noch nicht.

Die heute erloschene Familie hatte 1450 einen Grundbesitz von etwa einem halben Quadrat­kilometer, für die damalige Zeit ein recht ansehnliches Gut. Auch später (1645) war ein Philibert de Clapey so vermögend, daß er die Rochus-Kapelle von Feilley bei St. Vincent stiften konnte.