Die Große Ravensburger Handelsgesellschaft


Von besonderer Bedeutung war für Ravensburg das Textilgewerbe, der Handel mit Leinwand und Barchent (Mischgewebe aus Leinen und Baumwolle). Diese Branche war die wichtigste Stütze für die bahnbrechende Große Ravensburger Handelsgesellschaft. Von 1380 bis 1530 war sie, gemessen an Kapitalausstattung, Zahl der Mitglieder und Ausdehnung ihrer Handelswege, das größte deutsche kaufmännische Unternehmen des späten Mittelalters vor dem Aufkommen der Fugger.

Durch den allmählichen Zusammenschluß der Handelsfamilien Humpis, Mötteli und Muntprat, der aus Gründen der Konkurrenzvermeidung, der Verbesserung von Absatz- und Einkaufsmöglichkeiten und der effizienteren Geschäftsführung zustandekam, lief Ravensburg, nicht zuletzt wegen seiner günstigen geographischen Lage und innenpolitischen Stabilität, der alten Bischofsstadt Konstanz als Hauptsitz der Gesellschaft den Rang ab. Kaufmannsgeschlechter wie die Besserer, Ankenreute, Neidegg, Faber, Moshain, Schellang, Gäldrich, um nur einige zu nennen, waren neben den genannten Gründerfamilien die tragenden Säulen der Gesellschaft. Auch aus den anderen oberschwäbischen Reichsstädten, sogar aus der Schweizerischen Eidgenossenschaft, stießen immer mehr Kaufleute zu diesem Ravensburger Unternehmen, das in der Marktstraße 59 ein zentrales Befehls- und Informationszentrum installierte und von dort aus die Gesellen in der Ferne über Marktverhältnisse, Preise und politische Entwicklungen auf dem laufenden hielt.

Besonders eng waren die Handelsbeziehungen zum Mittelmeerraum, mit Italien, Südfrankreich und Spanien; die Wege nach Italien führten auf teilweise abenteuerlichen Wegen über die Schweizer Alpenpässe Septimer und Splügen. Eine weitere Hauptstütze der Handelstätigkeit stellte der Besuch der großen Messen und Märkte, so in der Champagne, in Antwerpen, Genf, Lyon, Frankfurt und Nördlingen dar. Auch osteuropäische Städte wurden von Ravensburger Kaufleuten besucht. An den wichtigsten Plätzen unterhielt die Gesellschaft feste Niederlassungen, sogenannte Gelieger.

Neben oberschwäbischer Leinwand und Barchent handelte die Gesellschaft mit allem, was Qualitätsrang hatte, etwa mit Zucker, Safran, Seide und Olivenöl aus Spanien, mit Südfrüchten, Mandeln Alaun, Reis und Metallwaren aus Italien, mit Gewürzen aus dem Orient, mit Silber und Kupfer aus Ungarn und Honig, Kerzen, Pelzen und Wachs aus Osteuropa. Kaum gehandelt wurde dagegen mit Massenwaren wie Holz, Getreide und Vieh.

Für aktive Mitglieder der Gesellschaft war die Karriere vom Lehrling über den Warenbegleiter, Kurier oder Einkäufer bis zur Mitgliedschaft im Vorstand der sogenannten "Neuner" offen. An der Spitze dieses Neunerausschusses standen die drei Regierer, die meist aus den alten Kaufmannsfamilien kamen.

Ab Ende des 15. Jahrhunderts machten Abspaltungen von Handelsfamilien, die Konkurrenz der St. Galler Diesbach-Watt-Gesellschaft, der Memminger Vöhlin-Welser-Gesellschaft sowie vor allem der Augsburger Fugger und Welser, der Ravensburger Handelsgesellschaft zunehmend zu schaffen, vor allem was Bankgeschäfte anging, von denen die Ravensburger die Finger ließen. Dieser Niedergang verstärkte sich durch die Schwerfälligkeit der Ravensburger Organisationen und das Fehlen qualifizierten und risikofreudigen Nachwuchses. Auch Reformationsstreitigkeiten und der Rückzug der Schweizer aus der gemeinsamen Handelstätigkeit wirkten sich negativ aus. Überdies verließen viele Handelsleute die Stadt, um nach dem Vorbild des Adels auf Landsitzen zu wohnen. Um 1530 erlosch die Gesellschaft sang- und klanglos.

 

Wappentafel der Gesellschaft zum Esel im Heimatmuseum Ravensburg

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