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70 Personen wollen 700 Millionen erben
Wer erbt mit? - Prüft eure Stammbäume!
(Elisabeth Karrer geb. Kissel Person 11)


Im Jahre 1816 starb Johann Nikolaus Emmerich im Alter von nur 37 Jahren. Er wurde in einfachen Verhältnissen geboren. 1783 wanderte er nach Amerika aus und gelangte dort zu ungeheurem Reichtum. Johann Nikolaus war kinderlos und übertrug seinen zwei Drittel der Firma betragenden Vermögensanteil an den Teilhaber Johalm Willlelm Astor. Seit 1916 tobte nun ein Kampf um die Erbschaft.

Zu den Erben zählten sich auch Elisabeth Karrer, geb. Kissel.

Der folgende Artikel, erschienen in "Das illustrierte Blatt", Frankfurt/Main, 28. Januar 1928, gibt Auskunft über die Erbschaft:


Ist es auch heute in Amerika nicht mehr so leicht, Reichtum und Geld zu erwerben, einst war es! Hin und wieder werden wir daran durch Erbschaften erinnert, die plötzlich aus Amerika in diese oder jene Familie gelangen. Kein Wunder. wenn der Glaube an solche Möglichkeiten in keiner Familie vergeht und oft ganze Gegenden in Spannung gehalten werden, wenn es sich um weitver­zweigte Familien und um Dollarmillionen handelt. So jetzt im Hessenland, unweit Frankfurt und Darmstadt. Das alte und schöne Odenwaldstädtchen Groß-Umstadt ist es, das um nicht mehr und weniger als 174 Millionen Dollar den Kampf eröffnet hat.

Am 5. November 1779 wurde dort ein Johann Nikolaus Emmerich geboren, der jüngste Sohn einer Bauemfamilie. Auch ihn hatte das Auswanderungsfieber gepackt und schon in jungen Jahren nach Nordamerika in die Gegend des heutigen New York getrieben. Zusammen mit seinem Landsmann Jakob Astor aus Walldorf bei Mannheim kaufte er Pelze von den Rothäuten, und die beiden Ge­schäftsinhaber verkauften sie nach England. Die Firma wuchs, konnte eigene schifte befrachten und groß Ländereien erwerben. Astor wurde der Stammvater einer der reichsten Familien der Welt und zugleich Gründer der großen Zigarettenfabrik Waldorf-Astoria.

1816, im Alter von 37 Jahren, starb Johann Nikolaus Emmerich, und weil er kinderlos war, übertrug er seinen zwei Drittel der Firma betragenden Vermögensanteil an den Teilhaber Astor. Der sollte nach 90 Jahren das Erbe Emmerichs an die Hinterbliebenen auszahlen. So soll es nach den Gerüchten sein, die heute in Groß-Umstadt die Köpfe erhitzen. Der Glaube an die Erbschaft ist nicht über Nacht gekommen. Seit fünfzig Jahren sprechen davon Nachfahren des Johann Nikolaus Emmerich, und von Jahrzehnt zu Jahrzehnt, von Generation zu Generation wurde dieser Glaube fester und bestimmter.

Was aber bisher nur in einzelnen Häusern schwelte, ist jetzt zu einer hellen Flamme geworden. Vergangenes Jahr sollte in New York eine Trinity-Church verkauft werden. Die Grundbücher wurden herangezogen, und siehe da: die Kirche konnte von der Gemeinde nicht verkauft werden, weil der Grund und Boden auf den Namen Emmerich eingetragen war. "Emmerich", "Emmerich", fragten die Leute, und man stieß auf besagten Johann Nikolaus aus Groß-Umstadt. Im Laufe des Jahrhunderts war noch mancher Anverwandte und noch mancher Emmerich nach Amerika gekommen, und als eine amerikanische Zeitung die Nachricht brachte, es war im Mai 1927, gründete sich in Chicago eine Familienvereinigung der Emmerich unter dem Namen: "Mississippitalgesellschaft", die die Rechte auf den Grund und Boden der Trinity-Church und auf die Hinterlassenschaften des Johann Nikolaus aus Groß-Umstadt geltend machte. Auf der Suche nach einem handschriftlichen Beweis will man dann auch ein verstaubtes Testament gefunden haben, aus dem die eingangs erwähnten Besitzverhältnisse und Erbbestimmungen des Johann Nikolaus hervorgehen. In Amerika schätzt man das bare an die Erben auszuzahlende Geld auf 174 Millionen Dollar, ohne den Wert an vorhandenem Grund und Boden. Ganze Stadtteile in New York, darunter der Broadway, sollen dazu gehören.

Und so kam auch die Kunde von dem aufgefundenen Testament nach Groß-Umstadt. Siebzig Familien zählen sich hier zu den Nachkommen. Sie haben sich zu dem Verein "Erbschaftsvereinigung" zusammengeschlossen, Statuten geschrieben, einen Vereinsdiener angestellt und entrichten monatlich je eine Mark Beitrag. Inzwischen haben sich auch die außerhalb Groß-Umstadts wohnenden Emmerichs und ihre Nachkommen gemeldet. In Darmstadt hat sich ein Zweigverein gegründet. Täglich mehren sich die Emmerichs und ihre Verwandten. Täglich kommen Leute aus Frankfurt, Hanau, Wiesbaden, Darmstadt, und täglich bringt die Post dem Vorsitzenden der "Erbschaftsvereinigung" einen Stoß Briefe aus nah und fern und aus allen Gauen Deutschlands, und immer mehr Leute verwandeln sich zu Verwandten, zu Onkels, Tanten, Nichten, Vettern, Geschwisterkindern, zu Kindern der Geschwisterkinder und zu angeheirateten Schwägern der Kinder der Geschwisterkinder. Stammbäume werden angelegt und uralte, vergilbte und versiegelte Urkunden beigebracht, die die Abstammung nachweisen sollen. Eine Dame aus Kalifornien hat sofort einige hundert Dollar einem Bankhaus überweisen lassen, damit dies ihre Rechte wahrnimmt, und die Stammbaumzeichnungen wachsen und dehnen sich wie Generalstabskarten, werden größer und größer und bunter und bunter.

"Ja, die Emmerichs waren ein guter Stamm", sagt mir voll Stolz der Vorsitzende in Groß-Umstadt. Schon die Brüder des Johann Nikolaus hatten bis zu neun Kinder, und die Kinder wiederum, und so geht es fort und wächst zu Hunderten von Ästen und Zweigen durch die Jahrzehnte, als wäre es eine mächtige, alte Eiche.

Nur einer braucht in Groß-Umstadt keinen Stammbaum vorzulegen. Das ist der 92jährige Zimmermeister Keller. Unfähig zur Arbeit, humpelt er an einem Stock, und lacht hell und breit, so wir ihn an die Erbschaft erinnern. "Sie kimmt, sie kimmt", sagt er, "dann werd awwer ooner getrunke un mehr fahrn aach Auto!" Seit fünfzig Jahren spricht der alte Keller von dieser Erbschaft, seit einem Jahr kennt er nur dies eine Thema und im Wirtshaus lauschen die Jungen seinen Berichten und Erzählungen, schütteln manchmal den Kopf und hoffen dennoch. Am stärksten aber ist der Glaube des Zweiundneunzigjährigen. Er hat deshalb sogar Streit mit seinem 84jährigen Zimmer­und Krankenhauskameraden. Er läßt sich aber nicht beirren und will nicht eher sterben, bis die Millionen da sind. Soll man ihm ein langes Leben oder soll man ihm die Dollar wünschen? Vinko.

 

 

Der 92jährige Zimmermann Keller

 

Und wie ging diese Geschichte aus?

Die Groß-Umtädter stützten ihre Erbansprüche erst auf den am 17.11.1739 geborenen Johann Nikolaus Emmerich. Weil von ihm nur die Geburt, nicht jedoch der Tod, im Kirchenbuch verzeichnet ist, glaubten sie, er sei nach Amerika ausgewandert und der Millionen-Erblasser. Johann Nikolaus hat jedoch am 04.06.1771 in Wertheim geheiratet und ist dort auch 1818 gestorben. Dann stützten sich die Umstädter noch auf den am 03.04.1749 geborenen Johann Nikolaus Emmerich. Auch das war vergeblich. Dem ganzen Spunk wurde mit einem Schreiben des Auswärtigen Amtes in Bonn am 29. August 1956, gerichtet an Herrn H.J. Neff, ein Ende bereitet. Der richtige Johann Nikolaus Emmerich wurde am 05.11.1779 in Walldorf geboren, ging als 18jähriger nach London und wanderte von dort 1783 nach Amerika aus.

 

 

 

Es hatten sich bereits Erbvereine gebildet, die mit der Einholung der Erbschaft beauftragt wurden.
Die Abbildung zeigt eine Vollmacht.