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Wilhelm Brücher


Ein anderer, von Lengfeld stammender politischer Flüchtling aus der Zeit nach dem "Frankfurter Attentat" war Wilhelm Brücher. Seine Eltern waren der Chirurgus (= Heilgehilfe) Joh. Michael Brücher in Lengfeld und dessen Ehefrau Elisabetha, Tochter des Gemeindsmanns Adam Ulrich zu Lengfeld. Michael Brücher war ein Sohn des Chirurgus und Gemeindsmanns Georg Peter Brücher zu Groß-Zimmern und hatte sich in Lengfeld ansässig gemacht. Wilhelm Brücher erblickte am 12.9.1815 in Lengfeld als 4. Kind (2. Sohn) seiner Eltern das Licht der Welt.

"Unser Gewährsmann, Friseur Heinrich Büchler in Lengfeld, dem wir zu herzlichen Dank verpflichtet sind, hat uns aus dem reichen Schatz seiner Erinnerungen Einzelheiten aus dem Leben Wilhelm Brüchers berichtet, die es verdienen, hier festgehalten zu werden. Sie wurden ihm von seiner Großmutter, die mit dem Heilgehilfen Johannes Henrich verheiratet und eine Schwester Wilhelm Brüchers war, erzählt. Nach dieser mündlichen Überlieferung kam der als junger Barbiergeselle bei einem Friseur in Frankfurt a.M. arbeitende Wilhelm Brücher häufig zu den nach dem Sturm auf die Konstabler- und Hauptwache in der Strafanstalt untergebrachten politischen Gefangenen, um sie zu bedienen. Bei diesen seinen beruflichen Gängen soll er ihnen im Munde versteckte Laubsägen in das Gefängnis mit­gebracht haben, um ihnen die Möglichkeit zu geben, die Gitterstangen ihrer Zellen zu durchsägen und sich zu befreien. Als die Sache herauskam, hörte Brücher von seiner bevorstehenden Verhaftung und floh, als Frauenzimmer verkleidet, in einer Chaise aus Frankfurt a.M., gelangte glücklich nach Frankreich und ging bald nach England. In London begründete er ein Pelzwarengeschäft und kam zu Wohlstande. Vor vielen Jahrzehnten sandte er einmal seiner oben erwähnten Schwester seidene Strumpfe." Wilhelm Brücher hat nie mehr deutschen Boden betreten. Wann er verschieden ist, wissen wir nicht.

In dem Werke "Geschichte der politischen Untersuchungen" von Leop. Fr. Ilse, S. IV unter 17, lesen wir, daß auch der Barbiergeselle Wilhelm Brücher aus Lengfeld steckbrieflich verfolgt wurde. Weiter sind dort angegeben: als Grund der Anschuldigung seine Teilnahme an einem Komplott zur Befreiung von politischen Gefangenen und an dem revolutionären Männerbunde, als Zeitpunkt der Entweichung der 2. Mai 1834, als mutmaßlicher Aufenthalt Frankreich, als Tag des Erlasses des Steckbriefes der 2. Mai 1835 und als Gericht, an das der Flüchtling im Falle seiner Verhaftung abzuliefern wäre, das Peinliche Verhöramt der freien Stadt Frankfurt a.M.

 
Quelle: Dr. Georg Walter, Chronik Lengfeld.
 
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