Orts- und Familienforschung

Fischerdörfer am Jamunder See

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Nest war wahrscheinlich der erste Badeort an der Kösliner Küste. Schon bevor das Verkehrsnetz ausgebaut war, kamen betuchte Kösliner, auf dem Fischersteig durch den Buchwald nach Puddemsdorf und ließen sich von dort mit Booten nach Nest übergesetzen. Nach der Fertigstellung der Chaussee von Köslin nach Großmöllen im Jahre 1856 (Baubeginn 1846) konnten die Kösliner auch bequem mit gemieteten Pferdewagen oder einem öffentlichen Pferdeomnibus an die See fahren. Die Stichstrecke der Kleinbahn Güdenhagen - Groß-Möllen wurde 1905 gebaut und die später (1913) fertiggestellte direkte Straßenbahnanbindung mit Köslin brachte einen wachsenden Zustrom an Sommergästen. Das gut ausgebaute Verkehrsnetz brachte jetzt auch Gäste aus entfernteren Städten wie Berlin und Dresden. Das Anwachsen des Besucherstroms war auch eine Folge der Werbung. So heißt es in einem Prospekt von 1911 über Nest: ruhiges und freundliches Fischerdorf, 300 Einwohner, 950 Badegäste, die Ostsee ist von allen Punkten des Dorfes in höchstens 3 Minuten zu erreichen, neue Strandpromenade, modernes Warmbad, eine breite Kies-Chaussee führt durchs Dorf mit elektrischer Straßenbeleuchtung. Weiter führt das Prospekt aus: Das Leben ist sehr ruhig und ungeniert; für Ruhebedürftige nur zu empfehlen. Zur Belustigung dienen Konzerte, Korsofahrten, Kinderfest, Reunions und ein Lawntennis-Platz.

(Reunion = eine gesellige Veranstaltung, etwa Feierlichkeiten in Hotels oder Bälle).

Sommergäste

Der Höhepunkt jeder Badesaison war stets ein Boots- und Blumenkorso auf dem Jamunder See.

Natürlich schmückten auch Erdmanns ihr Boot. Auf dem Bild Walter und Robert Erdmann mit seiner Tochter Hannelore auf dem Schoß.

Die Sommergäste, von denen einige sogar mit ihren Hausangestellten kamen, fanden Unterkunft bei den Fischern. Sie nutzten möblierte Wohnungen, mit oder ohne Küche. In einer Werbeschrift von 1938 sind 55 Adressen von Privatzimmervermietern aufgelistet, davon waren 37 Fischer. Sie hatten oft zwei Häuser - ein altes, reetgedecktes, einstöckiges Fischerhaus und ein modernes zweistöckiges Haus mit Veranden. Die Fischerfamilie wohnte in der Badesaison in ihrem alten Haus oder schlief sogar auf dem Heuboden über den Stallungen.

Wohlhabende konnten sich auch im Hotel Peglow einquartieren. Ein Zimmer kostete mit Vollpension in der Hauptsaison pro Person 35 Mark wöchentlich. Laut der Werbeschrift standen in Nest insgesamt 473 Gästebetten zur Verfügung.

In dem Gästehaus der Familie Erdmann waren vier Wohnungen mit Wohnzimmer, Schlafzimmer und Küche eingerichtet. Die vorderseitige Veranda konnten alle Gäste nutzen. Bäder oder Toiletten gab es im Haus nicht.

An fliessend Wasser war in Nest damals noch nicht zu denken, das Wasser kam stattdessen aus der Pumpe oder dem Brunnen. Für die morgendliche Körperpflege stand im Schlafzimmer auf dem Waschtisch eine Waschschüssel und ein Krug mit Wasser bereit.

Die Toilettenhäuschen befanden sich im Freien. Sie waren bereits mit Porzellan-Flachspülern ausgestattet. Für die Spülung behalf man sich mit einem Eimer Wasser.

Erdmanns Gästehaus (Baujahr ca. 1900). Rechts ist das alte, reetgedeckte Haus zu sehen.

Großröhrsdorf, den 23.2.1953

Liebe Frau Nortmann, lieber Herr Erdmann

……

Was für schöne Erinnerungen knüpfen sich an den Aufenthalt bei Ihnen. 15 mal sind wir bei Ihnen gewesen und vorher 3 mal bei Parnows. Oft nehmen wir Photos und Karten zur Hand, und dann habe ich jedesmal kleine Aufzeichnungen gemacht, die ich hervorsuche und vorlese, und dabei fällt uns noch dies und das ein. So hab ich z. B. in einem Büchlein, daß Ihre gute Mutter morgen am 24. Feb. Geburtstag hat. Nun möchten wir natürlich auch gern von Ihnen manches wissen. Haben Sie jemals wieder etwas von Nest gehört? Bei uns hier sind auch Pommern, aus Kolberg, aus Stolp, Stolpmünde; uns […] die [….] an, wir kennen ja die Orte von unsern verschiedenen Autofahrten. Dann haben wir den Namen von dem Ort vergessen, wo Ihre Mutter ihre letzte Ruhestätte gefunden hat. Und selbstverständlich wollen wir auch etwas von Ihnen wissen. Der kleine Bernd (so hieß er wohl) ist gewiss schon ein großer Junge geworden und der Stolz seines Vaters; ob er noch Geschwister hat? Und auch von Ihren übrigen Geschwistern hätten wir gern etwas erfahren. Wir sind zu sehr mit der Familie Erdmann verwachsen gewesen, sodass uns alles von ihr und ihrem Ergehen interessiert. Wenn wir Sie beide gleich hier hätten, hätten wir sehr viele Fragen an Sie zu stellen. So tun Sie uns doch bitte den Gefallen und antworten Sie auf unseren Brief.

Wir 3 senden Ihnen unsere herzlichen Grüße.

Ihre Helene Hasche

Morgenwäsche

Bei herrlichem Sonnenschein wuschen sich die Bade-gäste auch schon einmal direkt unter der Pumpe.

Grete Walter bei der Morgenwäsche. Grete arbeitete als Sekretärin bei einem Kösliner Rechtsanwalt. Im Sommer war sie regelmässig zu Gast bei Erdmanns.

Das Ehepar Reuschel aus Crimnitschau zählte auch zu Erdmanns langjährigen Stammgästen in Nest.

Vor der Abreise ein letzter Blick auf die schöne Kösliner Ostseeküste.

Helene Erdmann und Tochter Hildegard mit einigen Sommergästen.

Fühlten sich die Sommergäste wohl, kamen sie viele Jahre nacheinander zum selben Vermieter.

Mit einigen Stammgästen blieben die Erdmänner sogar noch nach dem Krieg und der Flucht der Erdmanns aus Nest für eine gewisse Zeit in Kontakt. Ein Brief aus den Jahre 1953 zeigt wie gerne sich Helene Hasche an die schöne Zeit bei Erdmann in Nest erinnert.

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