Orts- und Familienforschung

Fischerdörfer am Jamunder See

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Auf der Ostsee konnten die Fischer mit ihren kleinen offenen Segelbooten nur im küstennahen Bereich fischen. Sie fingen Flundern, Schollen, Lachs, Steinbutt und Hering und manchmal auch einen bis zu zwei Meter langen Stör. Das spezifische Fischaufkommen hing und hängt stark von der herrschenden Meeresströmung und der Wassertemperatur ab. Diese beiden Faktoren sind ihrerseits jahreszeitenbedingt. Im Sommer z.B. ziehen sich die Fische in das tiefe kältere Wasser zurück.

Nest und seine Fischer

Ein Gaffelsegler, besetzt mit drei Fischern, in der Brandung der Ostsee.

Neben der damals noch sehr fischreichen Ostsee (Sultene See) konnten die Fischer teilweise auch den ebenfalls fischreichen Jamunder See (Frische See) befischen – er ist nur durch eine schmale Nehrung von der Ostsee getrennt. Die zum Fischen auf dem Jamunder See notwendigen Fischereirechte waren allerdings stark limitiert, da sie an den Hofstellen hafteten. Wegen ihrer begrenzten Anzahl, und weil sie ein gutes Einkommen sicherten, waren die Rechte sehr begehrt. In dem Süßwasser des Sees und dem zwischen der Ostsee und dem Jamunder See liegenden Brackwasser konnten nämlich die begehrten und seltenen Fischsorten gefangen werden, die einen hohen Preis einbrachten. Zudem waren die Fangbedingungen der Fischer auf dem Jamunder See saisonunabhängiger.

Der Küste bei Nest sind drei Sandbänke vorgelagert, an denen sich die Wellen brechen. In dieser Brandung kenterte manches Boot. Die Kleidung der Fischer sog sich sofort mit Wasser voll und zog die Fischer mit sich in die Tiefe. Selbst gute Schwimmer hatten hier keine hohen Überlebenschancen, wenn nicht andere Boote zur Hilfe kamen. Die vor Nässe und Kälte schützende Kleidung war im Wasser eine Gefährdung.

Winters wie sommers trugen die Fischer mehrschichtige dicke, wärmende Wäsche aus Schafswolle. Ihre Nieren schützten die Fischer mit einer wollenen Leibbinde. Darüber wurde ein Unterhemd und der Seemannspullover (Troyer) sowie eine dunkelblaue Tuchjacke bzw. im Winter eine dicke Joppe gezogen.

Die Beinkleidung bestand aus einer lange Unterhose, wollenen Socken und einer dicken Hose. Die Füße staken in mächtigen, ledernen Fischerstiefel (Seestiefel) mit langen Schäften. Den Kopf bedeckte der sogenannte Südwester, ein Hut mit breiter Krempe. Der Südwester verhinderte durch seine breite Krempe ein Hineinlaufen des ablaufenden Regenwassers oder der Gischt in die Kleidung.

So bekleidet nahmen die Fischer um drei Uhr in der Früh ihr Tagwerk auf. Es dauerte einige Stunden, um die in der Ostsee ausgelegten Netze zu erreichen und sie gefüllt an Land zu bringen. Hier erwarteten die Fischerfrauen ihre Männer erwartungsvoll direkt am Strand. Die schweren Netze wurden gemeinsam auf einem Karren zur Hofstelle gefahren oder auf der Börf dorthin getragen.

Ein Fischer in seiner

voller Montur.

Der frische Fisch wurde auf dem Kösliner Fischmarkt an die Städter verkauft oder in den umliegenden Bauerndörfern feilgeboten. Noch um 1900 mussten sich die Fischerfrauen morgens um drei Uhr auf den Weg zum Fischmarkt machen. Um den Weg abzukürzen transportierten die Fischer ihre Fänge im Boot über den Jamunder See bis nach Puddemsdorf. Von dort trugen oder karrten die Frauen ihre Ware in schwerbeladenen Tragekörben (Lieschen) auf dem Fischersteig durch den Buchwald nach Köslin. Erst mit der Inbetriebnahme der Dampfkleinbahnstrecke Güdenhagen - Groß-Möllen im Jahre 1905 erleichterte sich der Warentransport für die Fischerfrauen. Als die Stadt Köslin die Strecke 1913 übernahm, verlängerte sie sie beidseitig. Gleichzeitig wurde die dampfbetriebene Bahn durch die elektrische Straßenbahn ersetzt. Am 1. Juli 1913 eröffnete die so genannte „elektrische Strandbahn“, von nun an konnten die Fischerfrauen bequem von Nest bis nach Köslin und wieder zurück fahren.

Mein Vater Walter Erdmann mit einem guten Fang Flundern.

Meine Oma Helene Erdmann geb. Parnow

Fischerfrauen mit ihren Lieschen.

Fischerfrauen auf den Kösliner Fischmarkt.

In der oberen Hälfte der Kösliner Schulstraße, nahe der Marienkirche, wurde der Fischmarkt abgehalten. Hier boten die Frauen aus allen naheliegenden Fischerorten nach beschwerlichem Transport ihre Ware zum Verkauf an. Verständlicherweise wollte jede von ihnen den besten Platz ergattern, dabei kam es häufig zu Streit. Später verloste die Stadt die Plätze.

Die Netze waren von den Fischen befreit. Sie waren allerdings noch nicht klar für den nächsten Fischfang. Allerlei Beifang und Meeres-pflanzen wie z. B. Seetang musste aus den Maschen entfernt werden, dabei wurde das Netz auch enttüddelt. Für diese Arbeit wurde das Netz aufgehängt. Die Fischer konnten es so Meter um Meter „klaren“.

Mein Vater Walter Erdmann beim Klaren eines Fischnetzes.

Anschließend wurden die Netze unter einer Pumpe gewaschen und zum Trocknen auf Netzstützen gehängt. Der am Meer immerwährende Wind besorgte das Trocknen.

Das Leben der Fischer war in den meisten Fällen hart und karg, oft sogar gefährlich. Zeugnisse von Fischereitragödien finden sich u. a. in den Kirchenbüchern. Plötzlich aufkommender Sturm und die hohe Dünung der Ostsee wurden vielen Fischern zum Verhängnis.

Jetzt mußten die Fische aus den Netzen gepuhlt werden, eine Arbeit die viel Geschick erforderte. Die zappelnden Fische sollten noch nicht getötet werden und die Netze durften nicht zerreißen.

Zum gewohnten Bild im Fischerdorf gehörten Netzstützen mit trocknenden Netzen.

Die Netzstützen standen auf allen Fischergrundstücken. Für die Ständer der Stützen suchten die Fischer besonderes Stangenholz mit einer oder mehreren Astgabeln aus. Die Hölzer wurden in die Erde gerammt und in ihre Astgabeln legten die Fischer Quer-stangen ein, über die sie die Netze hängten. Sie konnten je nach Netzgrößer höhere oder niedrigere Astgabeln nutzen.

Die meisten Fischer betrieben zumindest für die Selbstversorgung und als Nebenerwerb auch Ackerbau und Viehhaltung. Die vielfältigen Aufgaben wurden von der ganzen Familie verrichtet. Die Männer widmeten sich vorwiegend dem Fischfang und den damit verbundenen Arbeiten. Sie fertigten und flickten Netze, hielten die Boote in Stand und holten den Fang ein. Die Frauen besorgten die Hofarbeit, zogen die Kinder auf, bestellten das Land und sorgten sich um die Sommergäste. Ihre Aufgabe war es auch, sich um das Vieh zu kümmern.

Große Wäsche bei Erdmanns. Da halfen manchmal auch die Sommergäste.

Im Stall standen in aller Regel ein bis zwei Kühe - frische Milch war für die Kinderernährung wichtig. Im Schweinekoben wurden mehrere Schweine großgezogen und im Hühnerstall gackerten die Hühner. Das Futter und die Streu kam von den eigenen Feldern.

Helene Erdmann bei der täglichen Fütterung der Schweine.

Die Aufbereitung des Schweinefraßes (der Drank), eines Gemisches aus Kartoffeln, Schrot, Küchenabfällen und viel Wasser war sehr aufwändig.

Erdmanns Kuh im Garten.

Einige Fischer bewirtschafteten auch Wiesen am gegenüberliegenden Seeufer bei Puddemsdorf. Sie mähten das Gras ließen es vortrocknen und transportierten es im Fischerboot über den See. Das Heu wurde zum Nachtrocknen im Hof ausgebreitet.

Heuernte auf den Puddemsdorfer Wiesen.

Die Börf liegt noch auf dem Heu und wartet auf ihren Einsatz.

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